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12 Impulse für kulturattac

H. Johannes Wallmann (5.9. 2004): 12 Impulse für kulturattac


Liebe Leute,

hier 12 gedankliche Impulse zur Theoriebildung, die ich für kulturattac und Kulturattacke zur Diskussion stellen möchte.

1.: Während es dem alten kulturattac zu sehr an Transparenz fehlte, scheint Attac gegenwärtig offenbar im Begriff zu sein, einen schon zu oft begangenen fatalen Fehler neu zu begehen: das Künstlerische für politische Agitation zu instrumentalisieren oder verkünstlerte politische Agitation als Kunst auszurufen. Schon bei Hitler wurde das so gemacht, in der DDR wurde das so gemacht, in anderen totalitären Staaten wurde das so gemacht, und schon sehr viel früher wurde das so gemacht. Diese Methode hat zu nichts als Oberflächlichkeiten geführt und war insbesonders dazu tauglich, die Verbrechen der Ideologien zu kaschieren oder gar zu rechtfertigen.

2.: Warum inszenierte Hitler die Bücherverbrennung?
Warum verbannte er avancierte Kunst/Musik als "entartete“ Kunst und Musik?
Warum wurde auch in der DDR avancierte Kunst/Musik mehr oder minder ausgegrenzt?
Warum ist avancierte Kunst noch immer am Rande der Gesellschaft (und oftmals in Materialfetischismen verrannt)?
Warum werden wir heute von Werbe- und Fernsehmüll zugeschüttet?
Um den menschlichen Geist und seine Intelligenz zu domestizieren!

Durch die Besetzung der Plätze wird zugleich verhindert, dass avancierte künstlerische Energien in die Tiefe der Gesellschaft kommuniziert werden können.

3.: Anstatt ideologischer Instrumentalisierung braucht es der ideologiefreien philosophischen Reflexion. Nur durch sie versetzen wir uns in die Lage, die Bindungen menschlichen Lebens optimal zu erkennen. Philosophische Reflexion führt zu Theorienbildung und Theorie sollte als höchstkomprimierte Form möglicher Praxis betrieben werden.

4.: Das Wissen und die technologischen Möglichkeiten (durch die der Mensch so tief wie nie zuvor in das Ökosystem und die Gestaltung des Lebens eingreifen kann) haben sich in den letzten 100 Jahren schlagartig erweitert. Ebenso schlagartig ist die Verantwortung des Menschen für das Ökosystem und das Leben als Ganzes gewachsen. Die technologischen Möglichkeiten – durch die Einzelne oder Gruppen in der Lage sind, größtes Unheil zu stiften – machen für unser aller Zukunft eine umfassende individuelle Wahrnehmung dieser Verantwortung unverzichtbar. Kulturelle Qualitäten spielen dabei eine entscheidende Rolle, denn Kultur konfiguriert die Gemüter.

5.: Wenn es gelänge, Kultur und Demokratie integral zu entwickeln, anstatt sie weiterhin den Interessen alter Piraten (wie Buckminster Fuller es nennt) zu überlassen, werden sie zu entscheidenden und überzeugenden Instrumentarien einer zukunftstragfähigen Gestaltung der Welt werden können.

Während Demokratie zu einer geduldigen gemeinsamen Suche nach den richtigen Lösungen für ein langfristiges Überleben, für ein intaktes Ökosystem, für gute Lebensqualität und für das umfassende integrale Intelligenterwerden der Menschheit werden kann, gilt es Kultur als effektives Werte- und Intelligenzübertragungssystem zu entwickeln. Neue integrale kulturelle Qualitäten sollten die Menschen unterschiedlicher Kulturen in die Lage versetzen, ihre Sinne und ihre Intelligenz von egozentrischen, nationalistischen und religionsherrschaft-lichen Prämissen zu befreien, um sie an die Verantwortung für das Leben als Ganzes zu binden.
 
6.: Mit kulturattac müsste es um eine entsprechende kulturelle Innovation und um das Entstehen eines neuen (trans-)kulturellen Bewusstseins gehen. Denn im Hinblick auf ihre - durch die Globalisierung herausgeforderte - gemeinsame Verantwortung für die Zukunft sind heute die Menschen aller Kulturen gefordert, weit über sich selbst und ihre Kultur hinauszusehen (ohne dabei ihre eigenen kulturellen Wurzeln verleugnen zu müssen). Der „Kampf der Kulturen“ und gegenseitige Vernichtung würde sich so erübrigen.

7.: Um kulturelle Innovation friedlich gestalten zu können, bedarf es zweifellos effektiver struktureller Grundlagen. Etwa so, wie unser Körper des Skelettes bedarf, das Denken und Empfinden der Gehirnstruktur oder unsere Hand ihrer Form, um bestimmte Funktionen überhaupt ausführen zu können. Die Entwicklung dieser strukturellen Grundlagen sollte jedoch mit Hilfe von „Selbstorganisationsprozessen“ erfolgen. Denn diese werden eine Vielzahl von Ideen und Erprobungsmodellen hervorbringen, aus denen weiterführende theoretische Schlussfolgerungen und praktische Konsequenzen gezogen werden können. So gesehen, dürfte eine der großen Aufgaben von kulturattac/attac darin bestehen, für die Entwicklung von Demokratie und Kultur beispielhafte strukturelle Grundlagen und Formen zu entwickeln und zu erproben. Sie werden vermutlich jedoch nur so beispielhaft sein, wie sie von hoher Transparenz und großer Freundlichkeit sind und zugleich die entscheidenden Probleme zu erkennen und Lösungsansätze zu erarbeiten verstehen.

8.: Weil das Künstlerische jedem Menschen angeboren ist (wie es danach auch immer entfaltet oder frustriert wurde), kann es jeden Menschen berühren. Es kann die Sinne frei und wach machen, anstatt sie zuzudröhnen oder einzulullen. Es kann Wahrnehmung und Verantwortung schärfen und trainieren, anstatt sie abzustumpfen. Es kann das Rationale und Emotionale verbinden, anstatt sie zu spalten. Es kann die gegenseitige Ergänzung von Individuellem, Soziellem, Universellem, von Wahrheit und Schönheit zum Erlebnis werden lassen, anstatt sie gegeneinander auszuspielen. Es kann das Zusammenwirken der Teile praktizieren, anstatt ihren Missklang zu propagieren. Es kann die kosmischen und utopischen Dimensionen des Lebens hochhalten, anstatt sie unter dem Hickhack der Alltagsrealitäten zu begraben. Und es kann Lebensalltag und Kunst miteinander verbinden, anstatt sie als Feinde erscheinen zu lassen. Es kann - in unterschiedlichsten und vielfältigsten Formen - innovative und avancierte Energien, Schwingungen, Informationen, kurz: Intelligenz produzieren. Es kann. Wenn es kann.

9.: Kultur sollte als „Intelligenzübertragungssystem“ fungieren. Die gegenwärtige Kultur finanziert und kommuniziert jedoch überwiegend die Ansprüche der Spaß- und Schießgesellschaft oder den Rückblick in vergangene Zeiten. Für die Zukunft ist das zu wenig. Denn eine ökolonomische und zukunftstragfähige Gestaltung der Welt, in der jeder Mensch mit seiner Geburt ein genuines Recht auf eine angemessene Teilhabe an den Lebensressourcen erwirbt, wird ohne entsprechende (trans-) kulturelle Qualitäten nicht Wirklichkeit werden können. Und das würde den Untergang der Menschheit bedeuten.

10.: Kulturattac sollte sich daher in der Aufgabe verstehen, für kulturell innovative Entwicklungen das vorhandene riesige Humankapital an Künstlern sowie Geistes- und Naturwissenschaftlern zu aktivieren (anstatt zuzusehen, wie dieses weiterhin auf die Abstellhalden der Gesellschaft entsorgt wird). Die Aufgabe besteht zugleich darin, aller ideologischen Vereinnahmung, allem egozentrischen Missbrauch kultureller Strukturen (aber auch deren Ausverkauf an die Spaß- und Schießgesellschaft) Einhalt zu gebieten.

11.: Das Künstlerische ist immer politisch. Am wenigsten jedoch dann, wenn es sich politisch vordergründig zur Schau stellt. Von ihm dieses zu verlangen, bedeutet, es vergewaltigen und instrumentalisieren zu wollen. Wenn sich Attac als Bewegung dessen nicht bewusst wird, wird Attac kulturell mehr oder minder im Agit-Prop hängen bleiben. Dies wird vielleicht aufstacheln, aber nicht berühren. Nach einem neuen lauten Agit-P(r)op-Theater wird voraussichtlich ziemlich alles beim Alten bleiben.

12.: Es steht eine große vielfältige Aufgabe vor alle Kultur- und Kunstschaffenden. Wenn wir sie lösen und eine kulturelle Innovation ernsthaft erreichen wollen, werden wir früher oder später unsere Kräfte einen müssen (und zwar ohne uns gegenseitig auszugrenzen oder uns einen Gleichschritt abzuverlagen).

In der Zuversicht darauf

Jo Wallmann                            Berlin, am 5. September 2004    
 

Dirk Heine
Gast
Verfasst am: 10.09.2004, 18:31     Titel: Eine Anmerkung

Lieber Jo,

vielen Dank für diesen Beitrag. Eine Anmerkung, um möglichem Missverständnis vorzubeugen, da man vermuten könnte, du meinst, Aufgabe der Kunst ist die Harmonisierung.

Kunst existiert immer in der Differenz zur und Verhaftung in der Realität. Aufgabe der Kunst ist es nicht, Konsens zu schaffen oder zu einen. Kunst lebt vom Zweifel und der Kritik, auch an dem, wofür sie selbst steht. Diese schaffen die Anlässe für den Rückgriff auf das Keative. Dabei kann Kunst selbstverständlich das eine zusammenbringen und dabei es vom anderen trennen. In dieser Auseinandersetzung kann es einen. Es gibt keine endgültige Versöhnung. Es gibt zu tun. Hoffentlich immer.

Liebe Grüße,

Dirk.

Pfreundschuh
Anmeldungsdatum: 03.09.2004
Beiträge: 11
Wohnort: München

Verfasst am: 10.09.2004, 19:17     Titel: Re: 12 Impulse fü+r kulturattac

Hallo,
ich sehe in dem, was Jo geschrieben hat, einigen Stoff, den wir diskutieren sollten. Einiges ist für mich auch etwas verwirrend, besonders der Anfang. Da ich zur Zeit wenig Zeit habe, will ich mich da mal Stück um Stück durchwagen.
Also fang ich mit dem Anfang, mit der Nr.1 an:


Lieber Jo,

natürlich geht es nicht darum, Differenz zu schaffen. Kunst existiert aber in ihr. Denn natürlich ist sie einerseits konsensorientiert, aber im Konsens zu einem schafft sie Differenz zum anderen. ich möchte mal so sagen: Kunst existiert, weil es ein Bedürfnis danach gibt, empfundene Realität mit innerer Welt (des Künstlers) in Einklang zu bringen bzw. Differenzen im Verhältnis von Aussen und Innen auszugleichen. Auf Grund der Originalität des subjektiven Empfindens wird aber immer eine Differenz zu anderen konsensuellen Lösungen bestehen. Man kann eine gemeinsame Summe bilden oder nicht - aber die Bildung konsensueller Wirklichkeit halte ich für ein Grundanliegen jeglicher Kommunikation, auch der künstlerischen. Geringstes Ziel ist aber der Status der friedlichen Koexistenz.


Lieber Wolfram,

bitte nimm dies mir nicht übel, aber dein unerschöpflicher Diskssionswillen schreckt mich etwas ab. da deine Beiträge in Mail und Forum einfach zu lang und (pardon) ausgewalzt sind. Bitte etwas mehr Netiquette, also versuch dich mal, konkret kurz zu fassen, denn ansonsten findet (zumindest von meiner Seite) keine Diskussion statt - ich habe nicht Zeit und Willen, mich durch die Beiträge durchzuarbeiten. Bitte verzeih dies, vielleicht geht es nur mir so und andere Nutzer sehen das anders. Danke!

Viele Grüße,

Dirk


Verfasst am: 11.09.2004, 18:31     Titel:

Lieber Dirk,

es war ein Versuch, auch mal in die Breite zu gehen, weil das von Jo angeschnittene Thema doch bei aller Tiefe auch ganz schön breit ist. Früher wurde ich kritisiert, dass ich zu kryptisch sei und zu wenig, und wenn, dann nur zu schmal ausführen würde.

Einen Mittelweg muss ich wohl erst noch finden. Ich bitte um Geduld.

Nix für ungut, sagen die Bayern.
Grüße
Wolfram

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Jo Wallmann
Gast
Verfasst am: 11.09.2004, 21:16     Titel:

Hallo Dirk,
ja, so sind wir uns im Prinzip einig! Aber weil Du friedliche Koexistenz ansprichst: So einfach ist das angesichts der Dschihad-Ideologie nicht mehr. Die 15jährige Anne Frank sagte es in ihrem Tagebuch 1944 so: "... Solange die ganze Menschheit, ohne Ausnahme, keine Metamorphose durchläuft, wird Krieg wüten und alles, was gebaut, gepflegt und gewachsen ist, wieder abgeschnitten und vernichtet ...” Ohne Ausnahme – und das wird schwer!
Jo, 11 .9.2004

Zu Wolframs Überlegungen (tut mir leid, es muss etwas ausführlicher sein!): Natürlich greift die Macht und ihr Missbrauch zu allen Mitteln. Die Ausschaltung von Intelligenz wurde in der Vergangenheit fast immer sowohl an den Autoren als auch an ihren Werken vollzogen. Dadurch wurde "Terrain gewonnen", um es mit anderen Werten zu besetzen. Hitler erreichte das nicht aufgrund von Selbsttäuschung, sondern durch genaues Kalkül. Er hat seine "Werte"-Ideologie kulturell raffiniert kalkuliert inszeniert und durchgesetzt. Wie perfide und bis in Details ausgefeilt das geschah, ist in Victor Klemperers "LTI" nachzulesen. Hätten Millionen Deutsche ihren Arm frenetisch zum Hitlergruss gestreckt und wären stolz in den Krieg gezogen, wenn ihr Geist nicht domestiziert – d.h. getäuscht - gewesen wäre? (Welche Defizite bestanden, dass sie dieser Täuschung so bereitwillig folgten?) Die Nazi-Kultur kann als furchtbares Beispiel gelten, wie mit kulturellen Strukturen und Methoden Massen von Menschen – sogar die einer sog, "Kulturnation"! – so domestiziert (getäuscht) werden können, dass sie bereit sind, dafür in den Tod zu gehen und schrecklichste Verbrechen zu verüben.

Methoden der Domestizierung des menschlichen Geistes sind sehr alt (s.a. "Bilderkrieg") und aktuell in Gebrauch; ob sie nun bewusst oder unbewusst eingesetzt werden. Heute sind sie umso gefährlicher, je unbemerkter, selbstverständlicher und "alternativloser" sie daher kommen. Neben der Instrumentalisierung des Religiösen und des Nationalen zu machtpolitischen Zwecken muss heute der "Terror der Ökonomoie" (Viviane Forrester) als eine solche Domestizierung gelten. Wie dieser "Terror der Ökonomoie" menschliches Denken und Handeln dominiert, davon erzählen die Realitäten unserer Welt. Das Individuum kann sich vielleicht für eine bestimmte Zeit kulturell gesteuerter Domestizierung verweigern, aber über die Ebene des Soziellen werden deren Mächtigkeiten so wirksam, dass der Verweigerer zunehmend ins Abseits gerät.

Die einzige Möglichkeit, der Domestizierung des menschlichen Geistes wirksam zu begegnen, ist eine durch kulturelle Strukturen gestützte integrale Entwicklung der Intelligenz des Menschen (die sich im übrigen erst insofern optimal entfalten und potenzieren kann, wie sie in sich Denken und Empfinden qualitativ ausgewogen zu vereinen und zu entwickeln vermag!). Deshalb Kultur als "Intelligenzübertragungssystem" (daneben besteht seine Bedeutung als Identitätspool und Werte-Kommunikationssystem ungeschmälert!); es bildet die Voraussetzung, dass der menschliche Geist sich soziell relevant an langfristig grundlegende Fragestellungen und Problemlösungen menschlichen Lebens binden kann.

Es gilt zu erkennen, das die Qualität  kultureller Strukturen – sowohl im Hinblick auf die Domestizierung als auch im Hinblick auf die integrale Entwicklung des menschlichen Geistes  – von entscheidender Bedeutung ist. Als Negativbeispiel die Nazikultur; ein Positivbeispiel ist im letzten Jahrhundert ausgeblieben, wenn es auch von Künstlern (wie z.B. mit dem Bauhaus-Ansatz des integralen Zusammenwirkens der Künste oder mit Buckminster Fullers oder Marshal McLuhans Denkmodellen) immer wieder angestoßen wurde.

Man könnte angesichts des machtpolitischen Missbrauchs kultureller Strukturen meinen, dass es ohne Kultur gehen sollte. Das aber wäre fatal. Denn diesen Funktionsbereich aufzugeben, würde bedeuten, ihn für eine anderweitige Besetzung zu räumen. Nicht minder fatal sind dogmatische und innovationsfeindliche kulturelle Besitzstandswahrungen sowie der verantwortungslose und egozentrische Gebrauch kultureller Strukturen. Denn dadurch – sowie mangels innovativer bzw. universeller Energiezuflüsse - verfällt der Funktionsbereich des Kulturellen wie von selbst und wird (nach seiner Ausschlachtung) ebenfalls anderweitig besetzbar. Angesichts der völlig unzureichenden gesellschaftlichen Reflektion und Kommunikation kulturell innovativer Ansätze könnte man meinen, dass dieser Verfall (wenn nicht aus Dummheit und Ignoranz) mit Methode betrieben wird. Durch die allgemeine Anerkennung der Ichsucht-AGs sowie des Werte-Kommunikationssystems der Konsum- und Wegwerfgesellschaft (das den Terror der Ökonomie als naturgegeben zu imaginieren versucht) schreitet dieser Verfall zunehmend fort. Kann es gelingen, dass Steuer herumzureissen und findet kulturattac zu dem Willen und der Kraft, dafür aktiv zu werden?

Jo, 11 .9.2004

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Pfreundschuh
Verfasst am: 13.09.2004, 22:28     Titel:

Jo Wallmann hat folgendes geschrieben:

Hätten Millionen Deutsche ihren Arm frenetisch zum Hitlergruss gestreckt und wären stolz in den Krieg gezogen, wenn ihr Geist nicht domestiziert – d.h. getäuscht - gewesen wäre? (Welche Defizite bestanden, dass sie dieser Täuschung so bereitwillig folgten?) Die Nazi-Kultur kann als furchtbares Beispiel gelten, wie mit kulturellen Strukturen und Methoden Massen von Menschen – sogar die einer sog, "Kulturnation"! – so domestiziert (getäuscht) werden können, dass sie bereit sind, dafür in den Tod zu gehen und schrecklichste Verbrechen zu verüben.

Ich finde das Thema sehr interessant, will aber nicht zu sehr weg vom Kontext, wie Dirk angemahnt hat. Aber es geht doch um die Behauptung, dass einer "Domestizierung des menschlichen Geistes" (Jo) durch Intelligenz oder emotionale Intellihenz entgegengewirkt werden könne. Dem kann man leicht zustimmen und ich will das gerne tun, wo es zutrifft. Aber ich glaube, dass die Nazi-Phänomene nicht mit Dummheit, Tumbheit oder Gewohnheit hinreichend begreifbar und also durch Intelligenz nicht sehr angreifbar sind.
Kultur ist eine äußerst sinnliche Macht. Da ist Canetti mit seinem Buch "Masse und Macht" wahrscheinlich wesentlich näher dran. Die Frenetik halte ich für eine fanatisiert phantasierte Heilserwartung, die nur dadurch eine derart suggestive Macht bekam, dass die Menschen sich in Masse sowohl mächtig, wie auch auf der Flucht wähnten (Conettis Fluchtmasse ist toll beschrieben). Von daher sind alle Verdummungen und Instrumentalisierungen nicht durch irgendein propagandistisches Gewerke, sondern durch kulturelle Realitäten durchsetzbar geworden.
Ich will Dir, Jo, nicht grundsätzlich widersprechen, aber ich denke, dass die kulturellen Prozesse im Denken nur Befreiung erfahren, wenn sie die Fixation des Geistes (so verstehe ich deinen Domestifikationsbegriff) als eine geistige Entstellung begreifen können (das meinte ich mit der Auflösung von Selbsttäuschung). Das muss an Ort und Stelle geschehen und ganz bestimmte Inhalte zeitigen oder (wieder-)erkennbar werden lassen.
Von daher kann ich nicht glauben, dass Kultur als "Intelligenzübertragungssystem" funktionieren kann.


Jo Wallmann hat folgendes geschrieben:

Angesichts der völlig unzureichenden gesellschaftlichen Reflektion und Kommunikation kulturell innovativer Ansätze könnte man meinen, dass dieser Verfall (wenn nicht aus Dummheit und Ignoranz) mit Methode betrieben wird.


Ja, man könnte das meinen, zumal die Agenten der Kapitalinteressen bereits lange vor uns wissen, wie sich alles zu ihrem Vorteil entwickeln muss (vergl. das "Tittytainment" als zukunftsplanerisches Konzept, das sich in den Hartz-Plänen wiederfindet). Aber dennoch glaube ich, dass die Reflektion hauptsächlich nur auf der Ebene der Reflexe stattfindet und dass der Verfall eine Logik hat, die er lediglich ausführt (da finde ich die Bemerkung von Bruno Gans als Hitler in "Der Untergang" hervorragend, der von einer systematischen Selbstzerstörungsspirale des Deutschen Reiches im Kopf von Hitler spricht). Deshalb glaube ich auch, dass in der Ausführung, im Ablauf einer Logik, nur der sich erklärende Mensch dazwischentreten kann, der Mensch, der in der Lage ist, sich als Mensch zu artikulieren, so einfach, unintelligent und platt dies auch sein mag: Aber erkennbar menschlich und von der (Sach-)Logik unbeschadet.

Wolfram

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Jo Walllmann
Gast
Verfasst am: 16.09.2004, 23:56     Titel: 12 Impulse / zu Wolfram

Wolfram, Du schreibst: "Von daher sind alle Verdummungen und Instrumentalisierungen nicht durch irgendein propagandistisches Gewerke, sondern durch kulturelle Realitäten durchsetzbar geworden."

Darin stimmen wir überein; bitte lies genauer!

Wolfram, Du schreibst: "aber ich denke, dass die kulturellen Prozesse im Denken nur Befreiung erfahren, wenn sie die Fixation des Geistes (so verstehe ich deinen Domestifikationsbegriff) als eine geistige Entstellung begreifen können (das meinte ich mit der Auflösung von Selbsttäuschung). Das muss an Ort und Stelle geschehen und ganz bestimmte Inhalte zeitigen oder (wieder-)erkennbar werden lassen.

Auch hierin gibt es meinerseits keinen Dissens, ausser dass von Dir hier offenbar ein Widerspruch um des Widerspruchs willen bemüht wird!

Wolfram, Du schreibst: "Aber ich glaube, dass die Nazi-Phänomene nicht mit Dummheit, Tumbheit oder Gewohnheit hinreichend begreifbar und also durch Intelligenz nicht sehr angreifbar sind.  Kultur ist eine äußerst sinnliche Macht."

Kultur ist Struktur, die Künste und Wissenschaften sind zwei jener (Intelligenz-) Energien, deren Kommunikation durch diese Struktur zu gewährleisten ist. Kultur ist natürlich immer eine äusserst sinnliche Macht (deswegen schrieb ich: "Kultur konfiguriert die Gemüter"). Wenn Du solche Macht als "durch Intelligenz nicht angreifbar" bezeichnest, dann verstehst Du offenbar Intelligenz (typisch Intellektueller!) lediglich als rationale Qualität. Darin liegt der Fehler der einseitig rationalen Aufklärung, die auch die Ebene des Ästhetischen und Emotionalen stets auf das Rationale zu reduzieren sucht. Wirkliche – integrale - Intelligenz kann aber nur aus den Synergien des Rationalen und Emotionalen erwachsen. Andernfalls bleiben ihre emotionalen Relationen an Kitsch, Klischees oder Realitätenrepetition gebunden und Intelligenz auf Intellekt vereinseitigt.

Wolfram, Du schreibst: "Von daher kann ich nicht glauben, dass Kultur als "Intelligenzübertragungssystem" funktionieren kann."
Wenn Du Intelligenz in der schlauen Ausbeutung und Vernichtung der Lebensressourcen siehst, dann haben wir eine vollkommen andere Idee von Intelligenz. Kultur – wie Du es vorschlägst - lediglich als "Lebensäusserung" zu verstehen (auch das Leben der Tiere gehört zum Leben), enthält keinerlei Vision und keinen Gedanken, wie das menschliche Leben mit Hilfe von "Kultur" fortzusetzen und vor dem Untergang zu bewahren ist.

Wolfram, Du schreibst: "Aber dennoch glaube ich, dass die Reflektion hauptsächlich nur auf der Ebene der Reflexe stattfindet und dass der Verfall eine Logik hat, die er lediglich ausführt .."
Nun, erklären zu müssen, dass Reflektion und Reflexe zwei völlig unterschiedliche Vorgänge sind, solltest Du Dir und mir ersparen. Dass der Verfall eine Logik hat, ist sowieso klar. Aber wie wird sich solche "Logik", mit welchen Mitteln, aufgrund welcher Defizite, in Gang setzen?

Wolfram, Du schreibst: "Deshalb glaube ich auch, dass in der Ausführung, im Ablauf einer Logik, nur der sich erklärende Mensch dazwischentreten kann, der Mensch, der in der Lage ist, sich als Mensch zu artikulieren, so einfach, unintelligent und platt dies auch sein mag: Aber erkennbar menschlich und von der (Sach-)Logik unbeschadet."

Hier sind wir uns einig bis auf den Punkt, dass das, was Du als "unintelligent und platt ... aber erkennbar menschlich" bezeichnest, für mich einer der Inbegriffe von Intelligenz ist.

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festersen
Anmeldungsdatum: 03.09.2004
Beiträge: 2
Verfasst am: 17.09.2004, 01:46     Titel: Re: 12 Impulse für kulturattac

NACHFOlGENDER TEXT ENTSPRINGT EINER NAECHTLICHEN LAUNE
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Moin.

>1.: Während es dem alten kulturattac zu sehr an Transparenz fehlte,
>scheint Attac gegenwärtig möglicherweise im Begriff zu sein, einen
>schon zu oft begangenen fatalen Fehler neu zu begehen: das
>Künstlerische für politische Agitation zu instrumentalisieren

furchtbare vision, aber ich seh es auch ... zumal viele kulturattac-Initiativen dem Vorschub leisten. Aber wie sagte schon Heiner Müller:
Wer sich nicht engagiert, wird engagiert.

>2.: Warum wurde auch in der DDR avancierte Kunst/Musik mehr oder
>minder ausgegrenzt?

Weil der Kleinbürger die Macht hatte zu sagen, was gefördert wird und was nicht.

>Warum ist avancierte Kunst noch immer am Rande der Gesellschaft

Weil der Kleinbürger den Markt bildet.

> Warum werden wir heute von Werbe- und Fernsehmüll zugeschüttet?

Weil der Kleinbürger den Markt bildet.

> Um den menschlichen Geist und seine Intelligenz zu domestizieren.
> Durch die Besetzung der Plätze wird zugleich verhindert, dass
> avancierte künstlerische Energien in die Tiefe der Gesellschaft
> kommuniziert werden können.

Wer hier absichtsvolles Handeln erkennt bewegt sich in kindlichen Wahrnehmungsmustern. Der "Gegner" sind die Mechanismen, nach denen sich Gesellschaften strukturieren, nicht die guten alten Klassenfeinde.

> 4.: Kultur konfiguriert die Gemüter.

Ein gutes Schlagwort, schön formuliert.
Aber was meint "Kultur"?

>5.: Wenn es gelänge, Kultur und Demokratie integral zu entwickeln,

Aber was meint "Kultur"?

>Während Demokratie zu einer geduldigen gemeinsamen Suche nach den
>richtigen Lösungen für ein langfristiges Überleben, für ein intaktes
>Ökosystem, für gute Lebensqualität und für das umfassende integrale
>Intelligenterwerden der Menschheit werden kann

Demokratie ist weder geduldig noch gemeinsam, sondern der Sieg wechselnder Mehrheiten über wechselnde Minderheiten unter Verzicht auf militärische Auseinandersetzungen. Zugegebenerweise hat man es geschafft, dass wir z.B. wählen gehen nach dem Muster: "Ich wähle die, die meiner Meinung nach gut für das Land sind". Was ein Quatsch. Man muss die wählen, die für einen selber gut sind. Dann entstehen die Mehrheiten schon... ;-)

>gilt es Kultur als effektives Werte- und Intelligenzübertragungssystem
>zu entwickeln.

Aber was meint "Kultur"?

>unterschiedlicher Kulturen in die Lage versetzen, ihre Sinne und ihre
>Intelligenz von egozentrischen, nationalistischen und
>religionsherrschaftlichen Prämissen zu befreien, um sie an die
>Verantwortung für das Leben als Ganzes zu binden.

Auch wieder schön gesagt... real ist es doch aber so, dass wir einer groesseren Terrorismus-Bewegung (auch im eigenen Land) entgegensehen, und Terror, so habe ich in Erinnerung, entsteht aus dem Gefühl des Ausgegrenztwerdens. (noch mal Müller: Der Krieg der Ohnmächtigen)

>6.: Mit kulturattac müsste es um eine entsprechende kulturelle
>Innovation und um das Entstehen eines neuen (trans-)kulturellen
>Bewusstseins gehen.

Auch wieder schön gesagt... allerdings kommt erst das Fressen, und dann die Moral.

>7.: So gesehen, dürfte eine der großen Aufgaben von kulturattac/attac
>darin bestehen, "Selbstorganisationsprozesse" anzustoßen, die für die
>Entwicklung von Demokratie und Kultur beispielhafte strukturelle
>Grundlagen und Formen reflektieren und erproben.

Das ist schlicht die Demokratie, soll heissen: das Problem. Denn der gegenwaertige Zustand ist das Ergebnis eines Selbstorganisationsprozesses. Was sonst.

>8.: Weil das Künstlerische jedem Menschen angeboren

Quatsch. Angeboren ist lediglich das Fressbeduerfnis und die Ruecksichtslosigkeit, spaeter kommt der Paarungstrieb dazu. Der Rest ist Kultur.

>9.: Kultur sollte als "Intelligenzübertragungssystem" fungieren. Die
>gegenwärtige Kultur finanziert und kommuniziert jedoch überwiegend
>die Ansprüche der Spaß- und Schießgesellschaft oder den Rückblick in
>vergangene Zeiten.

Der Kleinbürger bildet den Markt.

>10.: Kulturattac sollte sich daher in der Aufgabe verstehen, für kulturell
>innovative Entwicklungen das vorhandene riesige Humankapital an
>Künstlern sowie Geistes- und Naturwissenschaftlern zu aktivieren
>(anstatt zuzusehen, wie dieses weiterhin auf die Abstellhalden der
>Gesellschaft entsorgt wird). Die Aufgabe besteht zugleich darin, aller
>ideologischen Vereinnahmung, allem egozentrischen Missbrauch
>kultureller Strukturen (aber auch deren Ausverkauf an die Spaß- und
>Schießgesellschaft) Einhalt zu gebieten.

Hier bin ich weitestgehend d'accors ... ;-) mit Ausnahme der dringenden Forderung, dass Egozentrismus und Egoismus sein müssen. Sonst bewegt sich nichts. Jedes Genie ist auch ein Tyrann.

>12.: Es steht eine große vielfältige Aufgabe vor allen Kultur- und
>Kunstschaffenden. Wenn wir - anstelle von Besitzstandswahrungen - sie
>lösen und eine kulturelle Innovation ernsthaft erreichen wollen, werden
>wir früher oder später unsere Kräfte einen müssen (und zwar ohne uns
>gegenseitig auszugrenzen oder uns einen Gleichschritt abzuverlagen).

Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral. Ich weiss ja nicht, wovon Du Deine Semmeln bezahlst, aber nur mal als Beispiel: Von 45.ooo festen Stellen an den staatlich subventionierten Theatern sind in den vergangenen 10 Jahren 6.ooo abgebaut worden, davon gut zwei Drittel im künstlerischen Bereich. Man kann also davon ausgehen, dass auf jeden fest engagierten Schauspieler zwei arbeitslose kommen, die sich mit ein paar Drehtagen und Kellnern durchschlagen, Drehtage werden es auch immer weniger und die Gagen werden flächendeckend gedrückt.
Besitzstand wahren - da kann ich ja nur kichern. Ich hab kuerzlich die Anzeigenserie der Bundesregierung zu Hartz IV studiert... ich hab keine Immobilie, ich hab kein Auto, ich hab keine Rücklagen, ich bin Freiberufler und hätte ohnehin nur Anspruch auf Sozialhilfe... also: mich stört Hartz IV eigentlich nicht...
Wir haben also eine Konkurrenzsituation, unueberbrueckbar.

Alles in allem finde ich, dass Dein lesenswerter Beitrag ein einziges (allerdings grosses) Probem hat: er ignoriert die Wirklichkeit. Insofern hat er eher was von der Bergpredigt als vom Kommunistischen Manifest (dem eine Analyse voranging und das eindeutig klassenspezifisch war). Du kannst nicht die Demokratie befürworten, aber den Markt verteufeln. Das sind zwei Seiten der gleichen Medaille.

Das Problem besteht m.E. darin, über Wege nachzudenken, wie die "globalisierte" Menschheit  unter Beibehaltung (!) der menschlichen Triebfedern (Neid, Gier, Eigennutz, Hass, Konkurrenz, Fortpflanzungstrieb) als Gesamtheit überleben kann. Oder, europäischer gedacht und selbst eigennuetziger: wie verhindert Europa, in 100 Jahren der Hinterhof der Welt zu werden.

Der Versuch, bessere Menschen zu schaffen, ist 89 fuers Erste zu den Akten gelegt worden.

Kai

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Pfreundschuh 
Verfasst am: 18.09.2004, 09:53     Titel: Re: 12 Impulse / zu Wolfram

Hallo Jo,
also erstmal halte ich es für grundlegend, besonders wenn man sich wie Du gerne auf Demokratie beruft, dass man jeden Menschen, mit den man diskutiert nicht einfach nur zu disqualifizieren versucht. Eigentlich ist eine Diskussion zu Ende, wenn dem anderen unterstellt wird, er würde nur um des Widerspruchs willen sprechen und müsste sich als Intellektueller aufführen. Ich versteh auch nicht ganz Deine Aufregung, wenn Du mit anderen Meinungen als der Deinen konfrontiert bist. Von daher habe ich keine Lust mehr, hier mit Deinem Text weiterzumachen. Aber auf Dein Kulturverständnis muss ich doch noch eingehen, da zumindest dies doch für eine Gruppe, die behauptet, sich damit zu befassen, geklärt sein sollte.

Jo Walllmann hat folgendes geschrieben:

Kultur ist Struktur, die Künste und Wissenschaften sind zwei jener (Intelligenz-) Energien, deren Kommunikation durch diese Struktur zu gewährleisten ist. Kultur ist natürlich immer eine äusserst sinnliche Macht (deswegen schrieb ich: "Kultur konfiguriert die Gemüter").

Das ist ein Kulturverständnis, das viererlei enthält:
1. Kultur sei Struktur, also Form für sich,
2. Diese sei zu gewährleisten, also abzusichern.
3. Die Absicherung besorgt die Kommunikation von Intelligenz-Energien
4. Die Kultur als dies alles würde die Gemüter konfigurieren.
Also  weißt Du, das schmeißt schon ziemlich alles über den Haufen, was in Kulturattac je hierzu geäußert worden war. Bitte bezieh Dich erstmal auf bestehende Aussagen und Selbstverständnisse anderer. Da gibt es Papiere, z.B. aus Berlin und München, die sich ausgiebig damit befasst haben:
http://www.kulturattac.de/
http://www.kulturkritik.net/Kultur/Grundsatz/index.html

Vielleicht schaust Du auch mal in das Kulturkritische Lexikon, wo Kultur ebenfals erläutert wird:
http://www.kulturkritik.net/begriffe/kul.html#kultur

Vielleicht kann daran dann doch noch so etwas ähnliches wie eine Diskussion entstehen.

Wolfram

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Dirk Heine
Gast
Verfasst am: 18.09.2004, 23:49     Titel: Wieder bei Kulturattac angelangt ... ;-(

Und da sind wir wieder bei den typischen Kultur-Attac Diskussionen, die dahin gehen, eher eigene Positionen zu stabilisieren, statt einen unvoreingenommenen (soweit das geht) Austausch von Ideen (Kommunikation von Intelligenz) zu befördern. Wir müssen keinen Konsens über Ideen finden, sondern einen Konsens darüber, wie wir über Ideen sprechen. Wir sollten nicht alles ausdiskutieren (wollen). Ich denke nicht, dass wir als Künstler uns irgendwie unter eine andere Idee als diese subsummieren können. Im übrigen nutze ich meine Zeit, um Projekte auf den Weg zu bringen, statt ewig zu diskutieren.
Ich werde die Gedanken Jos und Kais bei mir behalten, weil ich sie dessen Wert halte und überdies denke, dass wir da auf einer Wellenlänge liegen, mehr brauche ich gar nicht. Was mich mit Jo verbindet, ist die Hoffnung, das Unmögliche zu versuchen, um das Mögliche zu realisieren; mit Kai verbindet mich der Blick auf die fatalistische Seite des Ganzen - wobei ich lieber Kultur a posteriori behaupte als sie mangels einer Definition a priori auszuschließen - also als das (alles) was die "Gemüter konfiguriert" sehe.

Liebe Grüße

Dirk

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Dirk Heine
Gast
Verfasst am: 19.09.2004, 04:48     Titel: Kurzer Nachtarg zur Kommunikation

Möchte noch eines hinzufügen:
Ich behalte auch Wolframs Ideen bei mir, insofern ich sie kenne. Leider übersteigt aber die Länge und Breite der Ausführungen meine Leselust im Netz. Vielleicht lässt auch dies (die Länge und Breite) den Eindruck aufkommen, du diskutiertest aus Lust, Wolfram, oder bösartig: aus Suche nach Selbstbestätigung. Möglicherweise aber auch aus Erkenntnissuche und Freude am Austausch.
Ich will betonen, dass wir aber gerade bei asynchroner Kommunikation sehr achtgeben müssen, was Sach- und was Beziehungebene ist, dass wird in Ermangelung der nonverbalen Komponenten oft nicht klar, und der Rezipent spiegelt sich unter Umständen in dem, was er liest, oder der Schreiber schreibt etwas in einer Stimmung, die sich nicht über die Worte transportieren lässt.
Also alles eher mit Nachsicht und vom Besten ausgehend betrachten.

Insofern möchte ich, was ich schreibe, als freundlich gestimmt verstanden wissen.

Grüße,

Dirk.

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Jo Wallmann
Gast
Verfasst am: 19.09.2004, 23:49     Titel: zur Diskussion der "12 Impulse..."

Hallo,
"alles eher mit Nachsicht und vom Besten ausgehend betrachten" – von Dirk (danke!) angemahnt, dürfte die einzige erfolgversprechende Grundlage sein, um auf der "Suche nach richtigen Lösungen (Buckminster Fullers Gedanke geschärft: "teleonomisch fittesten Lösungen") mittels Diskussion überhaupt vorankommen zu können. Wolfram, nimm es mir also bitte nicht übel, wenn ich ein wenig spöttisch war! Es ist mir zudem überaus bewusst, dass meine Definition von Kultur bisherige Ansätze übersteigt; vielleicht ist sie ja gerade deshalb bedenkenswert. Was Definitionen zu Kultur betrifft, so habe ich dazu eine fein ausgewählte Bibliothek. Zudem, Wolfram, war ich an der Abfassung des Berliner Papieres nicht unmaßgeblich beteiligt. Also bitte: "vom Besten ausgehend betrachten"!

Kai, Du hast nicht ganz unrecht, manches als "schön formuliert" zu bezeichnen; es ist aber durch 30 Jahre Berufserfahrung (größtenteils freiberuflich!) untersetzt. Auf Deine Frage, was Kultur meint: Letztlich kommt es darauf an, was wir für eine Idee davon haben, was wir mit Kultur meinen. Meine Idee heisst in einem Wort: "Intelligenzübertragungssystem". Wer hat einen besseren Vorschlag?
(Nebenbei: Kultur ist immer auch Struktur gewordene Vorstellung vom Ganzen. Wie kaputt, zurückgeblieben und disparat diese Vorstellung oder dieses Ganze auch sein mag. An den Synergien die Kultur erzeugt oder verhindert, ist das abzulesen. Man kann unter Kultur also auch ein Synergieerzeugungssystem verstehen. Im Übrigen war es gerade das, was die ökonomische Prosperität großer Kulturen ausgemacht haben dürfte!)
Mein Angriff auf kulturelle "Besitzstandswahrung" bezieht sich darauf, dass die Frage nach dem, was Kultur "meinen" könnte, kaum mehr aufgeworfen wird, was letztlich auf den Missbrauch kultureller Strukturen hinausläuft. (Es gibt schon Leute, die an diesem Missbrauch ziemlich viel verdienen!) Wenn wir die Menschheit als Selbstorganisationssystem verstehen, kommen wir aber nicht um die Klärung der Frage herum, woraufhin kulturelle Strukturen im Sinne unser aller Zukunft zu konditionieren wären. Mein Vorschlag setzt natürlich die Klärung dessen voraus, was unter Intelligenz zu verstehen ist. Zu den Triebfedern (Egozentrik, Neid, Gier, Eigennutz, Hass, Konkurrenz, Fortpflanzungstrieb, die zugegeben notwendig sind) könnte Kultur als Pendant gedacht werden, mit dessen Hilfe wir uns konditionieren könnten, uns als Teil eines Ganzen – eben eines Selbstorganisationssystems - zu verstehen (das es uns trotz und mittels seiner Technologien erlaubt, unseren "selektiven Vorteil" nicht zu verspielen).

Kai, ich denke prinzipiell, dass unter Demokratie nicht allein Wahlen und wechselnde Mehrheiten verstanden werden sollte, sondern dass es mit ihr letztlich darum gehen müsste, Kompetenz (Intelligenz + Know how) für eine zukunfstragfähige Gestaltung der Welt zu aquirieren. Buckminster Fuller hat übrigens zur Zukunft der Menschheit angemerkt: "Wir haben genügend Intelligenz, um alle erfüllt leben zu können". Soviel zugleich zur Bergpredigt und zum Kommunistischen Manifest.
Denn Kai schrieb: "Alles in allem finde ich, dass Dein lesenswerter Beitrag ein einziges (allerdings grosses) Probem hat: er ignoriert die Wirklichkeit. Insofern hat er eher was von der Bergpredigt als vom Kommunistischen Manifest (dem eine Analyse voranging und das eindeutig klassenspezifisch war). Du kannst nicht die Demokratie befürworten, aber den Markt verteufeln. Das sind zwei Seiten der gleichen Medaille."
Kai, Du wirst Dich vielleicht wundern, aber ich bin Praktiker. Theorie betreibe ich "nebenbei" als höchskomprimierte Form möglicher Praxis. Notwendiger Bestandteil dessen ist eine genaue Analyse, doch diese um der Synthese willen (ein Gedanke von Kant). Das hat mir in der Praxis trotz erheblicher Widerstände immer wieder erlaubt, ziemlich utopisch erscheinende Projekte Wirklichkeit werden zu lassen. Und ich habe dabei (in 5-6-stelligen Größenordnungen) festgestellt, dass die Leute nicht so blöd sind, wie sie immer gemacht werden. Nicht selten bekam ich zu hören "Wir wussten nicht, dass es so etwas überhaupt gibt!"
Was den Markt betrifft, so ist der "kulturelle Markt" wie jeder andere im Grunde eine Frage der Kommunikation und der Werbung. Doch dass auch der "kulturelle Markt" von Besitzstandsdenken und Platzhirschen beherrscht ist, die den Zugriff auf die Ressourcen für sich beanspruchen und dafür die Frage "Aber was meint "Kultur"?" bewusst übergehen, ist ziemlich katastrophal. Ich denke, wir sollten versuchen, diese Platzhirsche mit intelligenten Argumenten zu stellen. Das wäre ein Punkt, an dem Kulturattac eine ziemlich wichtige Funktion einnehmen könnte.

Freundlich gestimmt
Jo

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Verfasst am: 19.09.2004, 22:45     Titel:

Und noch einmal ich.
Ein Beitrag zur Kommunikation: Wir wollen mit Menschen in Austausch treten, und bekommen es nicht einmal untereinander vernünftig hin. Um dies zu beheben, müssen wir eines beachten: Egal wie wir sprechen, was wir meinen, ob wir hart diskutieren, wir diskutieren über Sachverhalte, das heißt, es braucht sich niemand in seiner persönlichen Integrität angegriffen fühlen und ich gehe davon aus, dass niemand jemanden in dieser verletzen will. Hier geht es um unser Denken, nicht um uns als Personen. Wenn man das begreift, kann man deutlich und nahezu uneingeschränkt streiten, da eines vorhanden ist: Respekt. Diesen müssen wir immer entgegenbringen und selbst behaupten, selbst wenn wir mit Menschen sprechen, die uns entgegengesetzte Meinungen haben, denn sonst können wir sie nicht erreichen.
Und dazu möchte ich eine Frage stellen, um mal einen kreativen Aspekt, eine direkt künstlerische Frage aufzuwerfen:
Wie können wir ale Künstler im praktischen Umgang mit Kunst die Menschen am besten erreichen? Wie kann man unmittelbar sein? Oder muss das Medium deutlich sein, die Vermittlung als solche erkennbar? Versteht ihr was ich meine? Wegen dieser Frage(n) hielt ich es mal für lohnenswert, mich in Kulturattac zu engagieren, um gemeinsam nach Antworten zu suchen. Vielleicht wage ich hiermit noch einen Versuch.

Liebe Grüße,

Dirk

Jo Wallmann
Gast

Verfasst am: 19.09.2004, 23:49     Titel: zur Diskussion der "12 Impulse..."

Hallo,
"alles eher mit Nachsicht und vom Besten ausgehend betrachten" – von Dirk (danke!) angemahnt, dürfte die einzige erfolgversprechende Grundlage sein, um auf der "Suche nach richtigen Lösungen (Buckminster Fullers Gedanke geschärft: "teleonomisch fittesten Lösungen") mittels Diskussion überhaupt vorankommen zu können. Wolfram, nimm es mir also bitte nicht übel, wenn ich ein wenig spöttisch war! Es ist mir zudem überaus bewusst, dass meine Definition von Kultur bisherige Ansätze übersteigt; vielleicht ist sie ja gerade deshalb bedenkenswert. Was Definitionen zu Kultur betrifft, so habe ich dazu eine fein ausgewählte Bibliothek. Zudem, Wolfram, war ich an der Abfassung des Berliner Papieres nicht unmaßgeblich beteiligt. Also bitte: "vom Besten ausgehend betrachten"!

Kai, Du hast nicht ganz unrecht, manches als "schön formuliert" zu bezeichnen; es ist aber durch 30 Jahre Berufserfahrung (größtenteils freiberuflich!) untersetzt. Auf Deine Frage, was Kultur meint: Letztlich kommt es darauf an, was wir für eine Idee davon haben, was wir mit Kultur meinen. Meine Idee heisst in einem Wort: "Intelligenzübertragungssystem". Wer hat einen besseren Vorschlag?
(Nebenbei: Kultur ist immer auch Struktur gewordene Vorstellung vom Ganzen. Wie kaputt, zurückgeblieben und disparat diese Vorstellung oder dieses Ganze auch sein mag. An den Synergien die Kultur erzeugt oder verhindert, ist das abzulesen. Man kann unter Kultur also auch ein Synergieerzeugungssystem verstehen. Im Übrigen war es gerade das, was die ökonomische Prosperität großer Kulturen ausgemacht haben dürfte!)
Mein Angriff auf kulturelle "Besitzstandswahrung" bezieht sich darauf, dass die Frage nach dem, was Kultur "meinen" könnte, kaum mehr aufgeworfen wird, was letztlich auf den Missbrauch kultureller Strukturen hinausläuft. (Es gibt schon Leute, die an diesem Missbrauch ziemlich viel verdienen!) Wenn wir die Menschheit als Selbstorganisationssystem verstehen, kommen wir aber nicht um die Klärung der Frage herum, woraufhin kulturelle Strukturen im Sinne unser aller Zukunft zu konditionieren wären. Mein Vorschlag setzt natürlich die Klärung dessen voraus, was unter Intelligenz zu verstehen ist. Zu den Triebfedern (Egozentrik, Neid, Gier, Eigennutz, Hass, Konkurrenz, Fortpflanzungstrieb, die zugegeben notwendig sind) könnte Kultur als Pendant gedacht werden, mit dessen Hilfe wir uns konditionieren könnten, uns als Teil eines Ganzen – eben eines Selbstorganisationssystems - zu verstehen (das es uns trotz und mittels seiner Technologien erlaubt, unseren "selektiven Vorteil" nicht zu verspielen).

Kai, ich denke prinzipiell, dass unter Demokratie nicht allein Wahlen und wechselnde Mehrheiten verstanden werden sollte, sondern dass es mit ihr letztlich darum gehen müsste, Kompetenz (Intelligenz + Know how) für eine zukunfstragfähige Gestaltung der Welt zu aquirieren. Buckminster Fuller hat übrigens zur Zukunft der Menschheit angemerkt: "Wir haben genügend Intelligenz, um alle erfüllt leben zu können". Soviel zugleich zur Bergpredigt und zum Kommunistischen Manifest.
Denn Kai schrieb: "Alles in allem finde ich, dass Dein lesenswerter Beitrag ein einziges (allerdings grosses) Probem hat: er ignoriert die Wirklichkeit. Insofern hat er eher was von der Bergpredigt als vom Kommunistischen Manifest (dem eine Analyse voranging und das eindeutig klassenspezifisch war). Du kannst nicht die Demokratie befürworten, aber den Markt verteufeln. Das sind zwei Seiten der gleichen Medaille."
Kai, Du wirst Dich vielleicht wundern, aber ich bin Praktiker. Theorie betreibe ich "nebenbei" als höchskomprimierte Form möglicher Praxis. Notwendiger Bestandteil dessen ist eine genaue Analyse, doch diese um der Synthese willen (ein Gedanke von Kant). Das hat mir in der Praxis trotz erheblicher Widerstände immer wieder erlaubt, ziemlich utopisch erscheinende Projekte Wirklichkeit werden zu lassen. Und ich habe dabei (in 5-6-stelligen Größenordnungen) festgestellt, dass die Leute nicht so blöd sind, wie sie immer gemacht werden. Nicht selten bekam ich zu hören "Wir wussten nicht, dass es so etwas überhaupt gibt!"
Was den Markt betrifft, so ist der "kulturelle Markt" wie jeder andere im Grunde eine Frage der Kommunikation und der Werbung. Doch dass auch der "kulturelle Markt" von Besitzstandsdenken und Platzhirschen beherrscht ist, die den Zugriff auf die Ressourcen für sich beanspruchen und dafür die Frage "Aber was meint "Kultur"?" bewusst übergehen, ist ziemlich katastrophal. Ich denke, wir sollten versuchen, diese Platzhirsche mit intelligenten Argumenten zu stellen. Das wäre ein Punkt, an dem Kulturattac eine ziemlich wichtige Funktion einnehmen könnte.

Freundlich gestimmt
Jo



Anmeldungsdatum: 03.09.2004
Beiträge: 3


Verfasst am: 27.09.2004, 00:48     Titel: Re: zur Diskussion der "12 Impulse..."

Moin,

komme hier mit diesem Quotierungssystem nicht ganz klar... versuche es mal:


Jo Wallmann hat folgendes geschrieben:


...was wir mit Kultur meinen. Meine Idee heisst in einem Wort: "Intelligenzübertragungssystem". Wer hat einen besseren Vorschlag?


Du selbst, paar Zeilen tiefer...:


Jo Wallmann hat folgendes geschrieben:


Zu den Triebfedern (Egozentrik, Neid, Gier, Eigennutz, Hass, Konkurrenz, Fortpflanzungstrieb, die zugegeben notwendig sind) könnte Kultur als Pendant gedacht werden, mit dessen Hilfe wir uns konditionieren könnten, uns als Teil eines Ganzen – eben eines Selbstorganisationssystems - zu verstehen.


Jo.
Verknappt: Kultur definiert die Spielregeln, nach denen wir unsere Schlachten schlagen, das "politikon" am "zoon".

Nicht zu verwechseln mit Kunst...!!!!!!!!!!!!!!!!



Jo Wallmann hat folgendes geschrieben:


...dass unter Demokratie nicht allein Wahlen und wechselnde Mehrheiten verstanden werden sollte, sondern dass es mit ihr letztlich darum gehen müsste, Kompetenz (Intelligenz + Know how) für eine zukunfstragfähige Gestaltung der Welt zu aquirieren.


Jainnn... meine alte Zweck-Mittel-Diskussion, die wuerde aber woandershin fuehren, Grundansatz dabei ist letztlich, dass der jesuitische Grundsatz "der zweck heiligt die mittel" in den modernen gesellschaften insofern nicht stimmt, als die zum einsatz kommenden mittel offenbar seit mindestens 150 jahren immer andere zwecke gebaeren als die, zu deren verwirklichung man sich ihrer bediente.

"links sein" bedeutet daher - aus meiner sicht - nur noch eine diskussion der mittel, nicht der ziele. am prägnanten beispiel: Demokratie lässt sich nicht mit Waffengewalt oder Befehlen verordnen.
Das hat in Russland nicht geklappt und wird im Irak nicht klappen.


Jo Wallmann hat folgendes geschrieben:


Was den Markt betrifft, so ist der "kulturelle Markt" wie jeder andere im Grunde eine Frage der Kommunikation und der Werbung. Doch dass auch der "kulturelle Markt" von Besitzstandsdenken und Platzhirschen beherrscht ist, die den Zugriff auf die Ressourcen für sich beanspruchen ... Das wäre ein Punkt, an dem Kulturattac eine ziemlich wichtige Funktion einnehmen könnte.


Das ist  die in meinen Augen zentrale Frage, naemlich als was definiert sich Kuturattac... ich sehe drei antworten, aufgrund der zeit radikal verkuerzt:

a) kulturattac ist der kuenstlerische arm von attac, thematisiert also die attac-stoffe kuenstlerisch (finde ich persoenlich ...[x]..., ist derzeit das oeffentlichkeitswirksamste)

b) kulturattac ist der versuch, den gedanklichen ansatz von attac in kulturpolitik umzusetzen (interessiert mich eher, sehe ich zu wenig)

c) kulturattac ist ein netzwerk von kuenstlern/managern fuer (I) einen herrschaftsfreien diskurs und (II) ein versprechen auf gegenseitige marketingarbeit gegen die platzhirsche (roemisch eins interssiert mich, wenn es in politische argumentation umsetzbar ist)

so, und nun ins bett... ;-)



Hallo,

der Zweck heiligt die Mittel nicht! Und jedes Ziel ist immer nur eine Zwischenstation.

Doch: integrale Intelligenz (zu unterscheiden von Intellekt, der nur als Teilbereich unserer Intelligenz gelten kann!) kann als Zweck und Mittel, Weg und Ziel zugleich gelten. Und nur wenn man sich der Zwecke und Ziele (als Zwischenstationen) ebenso bewusst bleibt wie der Mittel und Wege, wird man beide Seiten immer wieder aufeinander abstimmen und dafür die richtigen Fragen stellen wollen. Vergleichbares trifft auch auf Funktion und Form, Idee und Materie – Struktur - zu.

Betrachten wir Kulturen als strukturgewordene Vorstellungen vom Ganzen, so stellen sich Fragen nach den jeweiligen Vorstellungen vom Ganzen ebenso wie nach den mit ihnen verbundenen Strukturen.

Buckminster Fuller sagte: Es bedarf richtiger („teleonomisch fittester“) Vorstellungen vom Ganzen, um richtige („teleonomisch fitteste“) Teillösungen finden zu können.

Falsche Vorstellungen vom Ganzen blockieren den Blick auf richtige Teillösungen. Und die Beschränkung auf Teillösungen führt zu pragmatischen Basteleien, die das Entstehen von Synergie und Zukunftstragfähigkeit meist weitestgehend ausschliessen.

Um „teleonomisch fitteste“ Vorstellungen vom Ganzen (die aus der Entwicklung menschlicher Intelligenz resultieren) kommunizieren zu können, bedarf es „teleonomisch fittester“ kultureller Strukturen, die  tatsächlich als „Intelligenzübertragungssystem“ fungieren. Deshalb ist kulturelle Innovation so unverzichtbar.

Ich bin der Meinung, dass Kulturattac sich in erster Linie als Entwicklungsbasis und Netzwerk für eine andere (ich schlage vor: „integrale“) Kultur verstehen und den  gedanklichen Ansatz von attac („Eine andere Welt ist möglich“) in Kulturpolitik umzusetzen suchen sollte. Es kommt m.E. alles darauf an, in sachlicher und freundlicher Atmosphäre dafür die Weichen zu stellen und dafür Ziel und Weg, Zweck und Mittel in Übereinstimmung zu bringen.

Jo


liebe freunde -

darf ich ehrlich sein? als künstler(kulturschaffender und kulturzerstörender) - geht mir eure diskussion am arsch
vorbei - und es regt sich nicht einmal ein wind.

nimm die die laute - statt der flaute
franz-josef schneider gen. kamikaze

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Dem, der auf Zerstörung setzt, gelten keine Argumente. Und wenn die Argumente verstummen, sprechen die Bomben.
Jo, entschiedener Anti-Kamikaze

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24.9.04

Kultur als Intelligenzübertragungssystem

. Die Qualität menschlicher Intelligenz bildet eine entscheidende Voraussetzung zur Erschließung von Energien und Informationen, die zur Aufrechterhaltung des Lebens benötigt werden.

. Neben materialen (z.B. körperlichen) Voraussetzungen können Synthese und Analyse als grundlegende Bedingungen von Intelligenz gelten. Mit Synthese geht es um das Ganze, mit Analyse um die Teile. Aber: „... allein die Synthesis ist doch dasjenige, was eigentlich die Elemente zu Erkenntnissen sammelt und zu einem gewissen Inhalte vereinigt; sie ist also das erste, worauf wir acht zu geben haben...“ ) sagte Immanuel Kant.

. Übergreifende Synthesen sind so zukunftstragfähig, wie sie in sich vorangekommenste analytische Erkenntnisse zu vereinen vermögen. Sie können dann zu gesellschaftlich akzeptierten „Vorstellungen vom Ganzen“ werden.

. Kulturen sind als „Struktur gewordene Vorstellungen vom Ganzen“ zu reflektieren. Kulturelle Strukturen bilden die „Hardware“, Philosophie und Religion, Künste und Wissenschaften bilden die „Software“. Neue Software kann bekanntlich mit alter Hardware ihre Funktionen ebenso wenig entfalten, wie neue Hardware mit alter Software.

. Sind kulturelle Strukturen und die mit ihnen verbundenen „Vorstellungen vom Ganzen“ zukunftstragfähig (die Evolutionstheorie nennt es: „teleonomisch fittest“), dann produzieren sie mittels der in ihnen enthaltenen Orientierungen zahlreiche Synergien, durch die sich der lebensnotwendige Aufwand von Energie drastisch reduziert. Insofern stehen kulturelle Strukturen in engem Zusammenhang mit dem gesamtgesellschaftlichen Energieaufwand.

. Damit Kultur als Intelligenzübertragungssystem funktionieren und „teleonomisch fitteste Vorstellungen vom Ganzen“ kommunizieren kann, bedarf es der kulturellen Innovation. Was will und kann kulturattac dafür tun?

Jo Wallmann


Wird das Kreative nicht mit philosophischer Reflektion verbunden und ist es sich stattdessen „seiner selbst genug“ (wie die Trolle in Ibsens „Per Gynt“), so verdirbt es fast zwangsläufig in Fantasie und gebirt den „fantasievollen“ Klamauk von Trollen, Kobolden und Gespenstern. Letztlich führt das zu einer ebenso unsinnigen Verwirrung und Ablenkung der Gefühle, wie die Klischee- & Kitsch-Ästhetik der Medien.

Sich auf Nietzsche, Benjamin und K.-H. Bohrer zu berufen, kann eigenes Denken nicht ersetzen. Und: die „Destruktion - das „Nein“ - ist nur dann stark, wenn es für die Realisation einer neuen Konstruktion – also um eines „Ja“ willen - geschieht! Wenn Du tatsächlich nach Erkenntnissen dieser Denker leben solltest, bedarf es genauer philosophischer Reflektion, was von ihren Erkenntnissen als zukunftstragfähig gelten kann. Nur so lassen sich sinnvolle ästhetische Informationen formulieren, die auch dann sinnvoll sind, wenn (künstlerisch und philosophisch) „keine bekannte Struktur sofort erkennbar wird“. Darauf verzichten zu wollen, öffnet der Produktion von Klamauk sowie ideologischen Repetitionen Tür und Tor. Wenn ich Dich richtig verstanden habe, wolltest Du das aber gerade nicht. An dem Punkt könnten wir uns möglicherweise treffen.

Jo, Anti-Kamikaze

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