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Kultur und Künste nur als Verschleierungspotential?

INTEGRAL-ART-Kunstaktion 2021/2 : Sieht man, mit welch enormen anti-totalitären Engagement junge Menschen gegenwärtig z.B. in Hongkong, Belarus, Russland oder Myanmar um ihre Zukunft und Freiheit ringen, sieht man, wie Putins Gegner ermordert, vergiftet, in Lager verbracht werden, mit welcher Raffinesse Orban und Kaczynski oder Erdogan jegliche Opposition ausschalten, sieht man, welch großen Einfluss post- und neo-totalitäre und nationalistische Mentalitäten auf Regierungen in Europa und der Welt haben, so stehen die gegenwärtig lebenden Generationen vor einer großen Aufgabe. Diese kann ihnen um ihrer Kinder und Kindeskinder willen kaum egal sein. Für deren Zukunft geht es - neben der Bewältigung der Umwelt- und Klimakrise - um die Bewahrung von Freiheit, um die Entfaltung von Demokratie sowie um die erfolgreiche Zurückweisung (neo-)totalitärer Mentalitäten. Eine ganz große kulturelle Aufgabe. Denn Kultur konfiguriert die Gemüter und ist eine der wesentlichen geistigen Einflusssphären, die der menschlichen Gesellschaft zur Verfügung stehen. Entsprechend steht die Frage, wie angesichts der o.g. Problemlagen Kultur neu und zukunftstragfähig gedacht und gestaltet werden kann.

Nationalsozialismus und Realsozialismus - große Totalitarismen der Moderne

Die 3-teilige arte-Doku-Serie (Patrick Rotman: "GULAG", arte 2017) über das 
GULAG-System wirft unabweisbar die Frage auf, ob - abgesehen von Hitlers 
mörderischem Weltkrieg - Stalins (bzw. Maos und Pol Pots) Realsozialismus und  
seine verbrecherisch-menschenverachtendes Lager- und GULAG-Systeme nicht als 
ebenso inhuman gelten muss wie Hitlers Nationalsozialismus, Holocaust und KZ-System.

Der Geist geht der Wirklichkeit voran.

Ein kleiner Junge fragte mich: „Was ist Geist?" 
Ich antwortete: „Geist ist das, was wir denken, fühlen und glauben.“

Sieht man, mit welch enormen anti-totalitären Engagement junge Menschen gegenwärtig z.B. in Hongkong, Belarus, Russland oder Myanmar um ihre Zukunft und Freiheit ringen, sieht man, wie Putins Gegner ermordert, vergiftet, in Lager verbracht werden, mit welcher Raffinesse Orban und Kaczynski oder Erdogan jegliche Opposition ausschalten, sieht man, welch großen Einfluss post- und neo-totalitäre und nationalistische Mentalitäten auf Regierungen in Europa und der Welt haben, so stehen die gegenwärtig lebenden Generationen vor einer großen Aufgabe. Diese kann ihnen um ihrer Kinder und Kindeskinder willen kaum egal sein. Für deren Zukunft geht es - neben der Bewältigung der Umwelt- und Klimakrise - um die Bewahrung von Freiheit, um die Entfaltung von Demokratie sowie um die erfolgreiche Zurückweisung (neo-)totalitärer Mentalitäten. Eine ganz große kulturelle Aufgabe. Denn

Kultur konfiguriert die Gemüter 

und ist eine der wesentlichen geistigen Einflusssphären, die der menschlichen Gesellschaft zur Verfügung stehen. Entsprechend steht die Frage, wie angesichts der o.g. Problemlagen Kultur neu und zukunftstragfähig gedacht und gestaltet werden kann.

Mein Vorschlag dazu: Kultur als Werte-und intelligenzübertragungssystem zu verstehen und
zu gestalten, wobei es öffentlicher Debatten bedarf, was Werte und Intelligenz bedeuten.

Da die Zurückweisung (neo-)totalitärer Mentalitäten ohne eine gründliche Aufarbeitung der Totalitarismusverstrickungen von Kultur//Kirchen//Künsten nicht gelingen kann, setzen wir hier an diesem Punkt an, um dies dann zunehmend konkreter für den Musikbereich zu analysieren. Denn Totalitarismusverstrickungen (sowie ihre Verschleierung, Vertuschung, Verhübschung) prägen die gegenwärtigen kulturellen Verfasstheiten noch immer sehr viel stärker, als allgemein angenommen. Ihre feingliedrig-genaue Aufarbeitung ist - auch gerade angesichts des exorbitanten Machtzuwachses des chinesischen Totalitarismus und seiner zunehmenden wirtschaftlich-kommerziellen und kulturellen Infiltration des europäischen Lebensalltages - dringender denn je.

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s.a. ein "kapitaler Systemdefekt" (hier anklicken)

s.a. "bedauerliche Zufälle" der DDR-Musikschreibung und deutsch-deutschen Musikforschung? 

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Wann wird Deutschland und Europa begreifen, was mit dem chinesischen national-realsozialistischen Totalitarismus auf die Welt zukommt? Und welche Rolle spielt dabei das, was "Kultur" genannt wird?
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Kultur vor allem als Verschleierung, Vertuschung, Verhübschung und Ablenkung?

Systematische Eliminierung sowie die Verschleierung, Vertuschung, Verhübschung entsprechender Fakten (sowie von Fakten überhaupt) sind markante Merkmale totalitärer Ideologien und Mentalitäten. Stalin war darin ebenso ein "Meister" wie Hitler. Nachdem 1927 in Frankreich das Buch von Raymond Duguet „UN BAGNE – EN RUSSIE ROUGE" („Eine Hölle im roten Russland“) erschienen war, das über die sowjetischen Massenmorde und die Zwangsarbeitslager berichtete, beauftragte Stalin einen Film, der zeigen sollte, dass die von Raymond Duguet (aufgrund des Berichtes eines geflohenen Lagerinsassen) beschriebene Hölle in Wahrheit ein Ferien-Paradies sei (s.a. Patrick Rotman: "GULAG" 1/3, min 15:23 - arte-Dokumentation 2017). Zur zusätzlichen Vertuschung dieser Hölle wurde Maxim Gorki im Juni 1929 durch das Lager auf den Solowezki-Inseln geführt. Gorki spricht sich danach öffentlich für das Lagersystem aus. Vier Monate später erfolgte auf den Solowezki-Inseln die bis dahin größte Massenhinrichtung ...

Ähnliches geschah angesichts des Holocausts und der Verbrechen des Nationalsozialismus. So wurden leitende Mitarbeiter des Roten Kreuzes durch Theresienstadt geführt und schätzten dieses Lager positiv ein. Kein Wunder, dass dann auch die Regierungen in London und Washington den krassen Berichten über den Holocaust in Auschwitz zunächst keinen Glauben schenken wollten ... D.h., selbst krasse Fakten konnten von Hitler und Stalin massiv in Abrede gestellt werden. Und diesen "Fake News" wurde zunächst mehr oder minder gern Glauben geschenkt. D.h., die Chancen stehen schlecht, wenn es an dieser Stelle "nur" um geistig-kulturelle Fakten geht, zumal diese nach der Wende von den (Post)Realsozialisten systematisch verschleiert, vertuscht, verhübscht wurden.

Bedenkt man diese Methoden, nimmt es nicht Wunder, wenn sich Teilhaber des (post)realsozialistischen Machtapparates gemeinsam mit Teilhabern des "realkapitalistischen" Machtapparates zwar für die Aufarbeitung der nationalsozialistischen Verbrechen einsetzen, zugleich aber die Aufarbeitung der realsozialistischen Verbrechen (und seiner Zig-Millionen Todes- und Zersetzungsopfer) übergehen. Es ist von großer Wichtigkeit, die nationalsozialistischen Verbrechen zu benennen und aufzuarbeiten, aber ebenso wichtig ist die Benennung und Aufarbeitung der realsozialistischen Verbrechen.

Die SED-Diktatur war „der Westen“ des realsozialistischen Lagers, das

eine Eliminierungsmaschine von Zig-Millionen Andersdenkenden/Andershandelnden

gewesen ist. Wie schon im Nationalsozialismus wurden Kultur und Kunst sowie Sport auch im Realsozialismus als das Verschleierungspotential totalitärer Eliminierungsverbrechen missbraucht. Zumal die DDR ohne Sprachbarriere an der Grenze zur westlichen „Freien Welt“ lag, dürften die Westreisen von DDR-Sportlern sowie von DDR-Künstlern und entsprechenden Kunst- und Musikwissenschaftlern vor allem dazu gedient haben, die DDR (und das realsozialistische Lager überhaupt) im Westen zu repräsentieren, weichzuspülen und als moderate Sport- und Kulturgesellschaft darzustellen. Wie das Georg Katzer-Interview von Ende 1989 beweist, war den betreffenden Künstlern/Musikwissenschaftlern dies durchaus bewusst. Die DDR  mag ihnen - auch im Vergleich zum GULAG-System der Sowjetunion oder den KZs und Arbeitslagern bis heute z.B. in China und Nordkorea - vielleicht "harmlos" erschienen sein. Die Verharmlosung des realsozialistischen Lagers an der Grenze zur westlichen Welt hatte damals wie heute allerdings Methode. Andernfalls würde das Bild des Realsozialismus (auch im Hinblick auf den Totalitarismus in China) noch verheerender als ohnehin schon ausfallen. Die Mauer und die schwer geschützten DDR-Grenzanlagen an der westlichen Außengrenze des realsozialistischen Lagers sollten fatal und Zeichen genug sein, um die Zukunft vor neuem Totalitarismus zu schützen.

Anstelle eines GULAG-Systems

führten SED und Stasi unter strengster Wahrung der Konspiration ein höchst perfides Ausgrenzungs- und Zersetzungsregime, das Andersdenkende/Andershandelnde von vornherein aussonderte, umlenkte, ausgrenzte und wenn nicht physisch, dann psychisch, sozial und kulturell möglchst unauffällig zu eliminieren suchte. Der totalitäre Terror war – sieht man von der Mauer ab – damit zwar nicht derart augenscheinlich wie unter Hitler, Stalin, Mao oder Pol Pot, aber trotzdem hocheffizient.

Nachdem Honecker an die Macht gekommen war, erhielten die Künstler in der DDR etwas mehr „Narrenfreiheit“ als unter Ulbricht. Die Kehrseite dessen war die Biermann-Ausbürgerung, die klarstellte, dass es für oppositionelle Künstler in der DDR auch weiterhin keinen echten Spielraum geben würde. In der Folge verließen zahlreiche Künstler die DDR. Für uns kam das damals aus verschiedenen Gründen noch nicht in Frage. Einer der Gründe war, dass ich

durch Kurt W. Streubel zutiefst erkannt

hatte, wie entscheidend neue starke ideologiefreie/philosophische/ästh-ethische 
Grundlagen angesichts der Moderne und ihrer Totalitarismen für die
Zukunft der Menschheit und ihre Kulturen und Künste sein werden.

Diese Grundlagen sowohl künstlerisch als auch philosophisch zu entwickeln – darin sah ich meine primäre Aufgabe. Und in Streubel (der in unseren Diskussionen nicht selten auf die totalitär-ideologische "Achse Moskau/Rom" verwies) einen Garanten, diese Aufgabe lösen zu können.

So heißt es in "Integrale Moderne - Vision und Philosophie der Zukunft" (PFAU-Verlag, 2006) Seite 193:

"Durch die evolutiv neue Situation und die Entwicklung von Demokratie befindet sich die Menschheit gegenwärtig an einem historischen Punkt, an dem sie – zumindest in der westlichen Welt – als demokratischer Macht-Souverän seit langer Zeit erstmals in der Lage und gefordert ist, kulturelle Strukturen hervorzubringen, die nicht der Domestizierung, sondern der Befreiung sowie dem Integral-Intelligenterwerden des menschlichen Geistes dienen.

Eine historische Chance, die angesichts der evolutiv neuen Situation weder
alten Ideologien, Gewohnheiten oder dem Zufall, noch Geschäftemachern
oder irgendwelchen Egoismen geopfert werden darf."

Auf welchen Grundlagen sollte eine solch neue Kultur geschaffen werden, wenn nicht auf der Grundlage von Fakten (anstatt von "Fake-News"), inderdisziplinärer Zusammenarbeit sowie konkreter Aufarbeitung der Totalitarismusverstrickungen und des Geistes- und Humanverrates von Künstlern, Intellektuellen, Kirchenvertretern?

„Kontaktpolitik“, „Kontakttätigkeit“ und „Blickfeldarbeit“

Nach der von Hubertus Knabe (in seinem 2002 bei Ullstein erschienenen Buch „Der diskrete Charme der DDR“) getroffenen Einschätzung, dass berufliche Westreisen in der Regel vom MfS mit konkreten Aufgaben verbunden wurden, erbringt nun der emeritierte Jenaer  Prof.Dr.Gottfried Meinhold mit seiner 2021 erschienenen Studie dazu für den Muskbereich konkrete Nachweise. Anhand von „Zwei Fallbeschreibungen mit Dokumentation“ von prominenten Musikwissenschafts-Professoren der Weimarer Musikhochschule (Paul Michel und Karl-Heinz Köhler ) wird mit dieser Studie deutlich, wie zielgenau die Stasi die Westreisen ihrer IM vorbereitete, instrumentalisierte, nachbereitete. „Kontaktpolitik“, „Kontakttätigkeit“ und „Blickfeldarbeit“ sind drei der Stichworte. Es ging alles in allem wohl darum, verbindliche Kontakte herzustellen, damit für die SED-Diktatur wertvolle Informationen einzuholen, Desinformationen zu platzieren und die DDR im Westen als moderaten Kulturstaat darzustellen. Auf solche Weise konnte für die DDR bundesdeutsche und internationale Anerkennung in die Wege geleitet werden (Honeckers Besuch 1987 in der Bundesrepublik, sein Zusammentreffen mit Helmut Kohl, aber auch das SED-SPD-Papier können als Erfolg dieser SED-Stasi-Strategie gesehen werden).

Laut meiner Notiz vom 11.7.1984 bot mir der DDR-Musikwissenschaftler Frank Schneider bei einem Treffen kurz vor seiner Abreise zu den Darmstädter Ferienkursen für Neue Musik an, sich für mich und meine Reise nach Köln/Witten zur Uraufführung einer meiner Kompositionen „verwenden“ zu wollen. Ich fragte mich, für wen alles er sich sonst noch „verwendete“ – z.B. für Georg Katzer? Oder Katzer für ihn? Jedenfalls fuhren 1984 beide –

wie zwischen dem Chef-Funktionär des DDR-Komponistenverbandes Peter Spahn 
und dem Leiter der Darmstädter Ferienkurse Friedrich Hommel vereinbart

-  zu den Darmstädter Ferienkursen. Auf Grund des Partituren-Lektorates und der Fachentscheidung von Brian Ferneyhough hatte ich ebenfalls eine Einladung und ein Arbeitsstipendium erhalten, erhielt aber von den DDR-Behörden keine Reisegenehmigung. Gleiches betraf ein Arbeitsstipendium für das Künstlerhaus Boswil/Schweiz, das mir für 1984 zuerkannt wurde sowie eine Reihe weiterer Einladungen, die an mich ergangen waren und denen ich ebenfalls nicht folgen durfte. Offenbar war ich – im Gegensatz zu "Georg Katzer, Frank Schneider & Co." - ungeeignet, die SED-Diktatur im Westen weichzuspülen und für sie „Kontakttätigkeit“ und „Blickfeldarbeit“ zu leisten. Für mich ein Lob. Aber auch ein bitteres, denn danach erhielt ich bis 1990 vom Internationalen Musikinstitut Darmstadt (IMD) nie wieder eine Einladung. Aufgrund von Katzers und Schneiders „erfolgreicher Arbeit“? Es wurde punktgenau vorgegangen und dies - auch noch nach der Wende - entsprechend feingliedrig verschleiert.

So befand sich im online-Archiv der Darmstädter Ferienkurse noch 2018 auf meinem Anmeldeforumlar von 1984 die handschriftliche Notiz "Absage 11.7.84" (s.a. KukDok1a/KukDok1b/KukDok1c/KukDok1d). Dies klingt, als hätte ich die Einladung nicht angenommen und mein Kommen abgesagt. Wir machten das IMD am 31.10.2018 darauf aufmerksam, dass es die DDR-Behörden waren, die mir keine Reisegehmigung erteilt hatten, ich aber sehr gern nach Darmstadt gekommen wäre. Um Richtigstellung bittend, übersandten wir dem IMD mein Einschreiben vom 11.7.1984 an das IMD/Herrn Wilhelm Schlüter (KukDok2a). Per eMail vom 2.11.2018 wurde eine Korrektur des Sachverhaltes vom IMD jedoch brüsk abgelehnt: Die Gründe für die Absage 1984 seien für die Archivierung des Bestand-Materials unerheblich, es sei ein Archiv und kein Dokumentationszentrum (KukDok3). Anschließend wurde jeglicher Eintrag zu meiner Person - selbst die Tonaufnahme einer meiner Kompositionen - gelöscht (KukDok4). Archiv - nach der Definition des IMD? Dann hätte da auch nichts gelöscht werden dürfen. Dieser Vorgang betrifft durchaus auch das 2010-2021 von der DFG geförderte Projekt „Ereignis Darmstadt. Die Internationalen Ferienkurse für Neue Musik 1964-1990 als ästhetischer, theoretischer und politischer Handlungsraum“ (KukDok5). Zwar wird die umfangreiche Quellenlage des IMD-Archives für das Projekt als „ideale Basis“ bezeichnet, aber gerade bzgl. des Aspektes “Darmstädter Ferienkurse als politischer Handlungsraum“ stellen sich aufgrund der hier genannten Sachverhalte nicht unerhebliche Fragen bzgl. „Kontaktpolitik“, „Kontakttätigkeit“ und „Blickfeldarbeit“ jener Besucher, die die SED nach Darmstadt geschickt hatte (KukDok2b).

"Weißt Du denn immer noch nicht, wie es geht?“

Dazu ein interessantes - unmittelbar in den künstlerischen und geistig-kulturellen Bereich hineinreichendes - Detail: Frank Schneider hatte mich bei dem oben erwähnten Treffen 1984 bzgl. Westreisen außerdem noch gefragt, „weißt Du denn immer noch nicht, wie es geht?“. Ich sagte ihm, dass es mit kompositorischer Arbeit nicht um Westreisen, sondern um das Eigentliche ginge. Auf seine Nachfrage, was das Eigentliche sei, antwortete ich, dass ich dies für mich bestimmt habe. Damals arbeitete ich - mit Streubel im Rücken – trotz "Postmoderne" intensiv daran, die Essentials einer neuen Moderne-Theorie sowie von Integral-Art zu formulieren. Zudem votierte ich bereits 1980 beim Geraer Ferienkurs für Neue Musik (Frank Schneider war damals anwesend!) für

ideologiefreie Kunst.

Vor o.g. Hintergrund darf es als bezeichnend gelten, dass Frank Schneider noch am 06.07.2009 im Berliner TAGESSPIEGEL zu Protokoll gibt, dass er sich schon vor der Wende „im Westen Reputation verschafft“ habe. Nach seiner Habilitation über „Das politische Denken von Komponisten“ (es ist mir nicht bekannt, ob ich darin vorkomme; allerdings hatte er 1983 das Gespräch anl. der Uraufführung meines "rivolto" moderiert (gnmwDok25). Kurz vor dem Ende der DDR wurde er am 18. Oktober 1989 zum "Professor" ernannt. Wie der Berliner TAGESSPIEGEL vom 6.7.2009 weiterhin schreibt, erlebte Frank Schneider „den Mauerfall nicht in Berlin, sondern in der Abgeschiedenheit der fränkischen Provinz, wo er mit seinen Mitarbeitern gerade am Piper-Musiklexikon arbeitete“. Das klingt so, als wären Westreisen für Musikwissenschaftler und Komponisten aus der DDR das Normalste vom Normalen gewesen. Doch es war bei öfter reisenden DDR-Künstlern/Wissenschaftlern wohl eher so, wie die o.g. Meinhold-Studie es nun anhand von Dokumenten bewiesen hat. Worin also liegt der Unterschied zwischen den Einen, denen die DDR-Behörden die Reisen genehmigte (oder die sie auf Reisen schickte) und den Anderen, denen die DDR-Behörden die Reisen nicht genehmigte? Es muss ein gewichtiger Unterschied gewesen sein.

West-Ost-Kulturkontakte

Für die Westreisen von DDR-Künstlern und DDR-Wissenschaftlern waren - neben westdeutschen Kulturinstitutionen - sicherlich auch DKP-Genossen „hilfreich“, die in Berlin-Schöneiche ihre Ausbildung erhielten. Die Komponisten unter ihnen (und unter den westdeutschen/ westeuropäischen Sozialismus-, Mao-, Ho-chi-Minh- und DDR-Sympthisanten) wurden z.B. in die Konzertreihe der Komischen Oper bzw. zu Ostberliner Festivals eingeladen. Wir Künstler in der DDR freuten uns zunächst darüber und fanden das klasse. Auch mir als kritischem Geist wurde erst allmählich die mehr oder minder genau kalkulierte SED-(MfS)Steuerung des West-Ost-Kultur“Austausches“ bewusst - z.B. angesichts der Beuys-Ausstellung 1988 im Ostberliner Marstall. So denke ich heute, dass hinsichtlich der deutsch-deutschen Kultur- und Musikgeschichtsforschung z.B. gefragt werden müsste, ob und wie die Komische Oper (u.a. mit Frank Schneider, Gerhard Müller und Siegfried Matthus in der Dramaturgie) damals einer der Dreh- und Angelpunkte für West-Ost-Kulturkontakte im Bereich der Neuen Musik gewesen ist, später das Ostberliner Schauspielhaus (heute Konzerthaus, dessen Intendant Frank Schneider nach der Wende von 1992 bis 2009 gewesen ist). Aber auch welch andere entsprechende Strukturen und Vorgehensweisen (z.B. um Udo Zimmermann in Dresden, um Kurt Masur und das Gewandhaus in Leipzig, um die von Hans-Pischner geleitete Bach-Gesellschaft) es gab und welche konkreten Aufgaben von SED/Stasi damit verbunden wurden.

Trotz meines kulturpolitisch begründeten DDR-Ausreiseantrages (1986) schrieb Frank Schneider noch 1990 in MusikTexte 33/34 über mich: »Es mag sich eine schöpferische Krise mit geistigem Umdenken, mit kritizistischem Unmut damit verbunden haben, die zum Abbruch von Kontakten mit seiner Umwelt und schließlich 1988 zur Übersiedlung in die Bundesrepublik führten.« – Ist ein kulturpolitisch begründeter DDR-Ausreiseantrag »kritizistischer Unmut«? »Abbruch von Kontakten mit seiner Umwelt« – dieser Vorwurf mir anstatt der Stasi? Wusste Frank Schneider nicht, in welchem Ausmaß die Stasi Kontakte ab- und unterbrach, z.B. mittels Rufmord, Stigmatisierung, Zersetzung, Nichtzustellung der Post? Oder wollte er es nicht wissen? Was unternahm er in seinen enorm gesteigerten Einflusssphären nach der Wende, um Künstlern wie mir, die in der DDR unter hohem persönlichen Einsatz für Kunst als Tochter der Freiheit eingestanden hatten, angemessen Gehör zu verschaffen? Oder sorgte er stattdessen in seinen Einflusssphären – wie auch ein Udo Zimmermann oder Armin Köhler – für eine weitestgehende Eliminierung meiner Geisteshaltung und Musik? – Zufall?

Die Mauer "... doch treibt, was wahr ist, Sprünge in die Wand" 
(Ingeborg Bachmann)

„Preis der Freiheit“

Unter 11. Februar 1990 notierte Lutz Rathenow (ich nahm diesen Text in mein Integral-Art-Projekt "HÖHLENGLEICHNIS" auf): „Warum ich gegen eine rasche Vereinigung bin? Weil Teile des alten Machtapparates hoffen, sich so in ein einig Vaterland hinüberretten zu können. Um die stalinistischen Machtstrukturen restlos aufzulösen, braucht es noch eine Weile eine eigne DDR. Weil sich diese Hierarchien sonst rasch mit neuen vermischen, ineinander verwachsen, so

dass Reste des Stalinismus in verwandelter Form als realkapitalistische überleben.“ 

Und genau so geschah es, nachdem der Einigungsvertrag geschlossen war. Über welche enorme finanzielle und sonstige Ressourcen – egal ob in Deutschland, der Schweiz, Russland, China oder sonstwo versteckt - die alten Genossen nach der Deutschen Einheit verfügten, führt z.B. die gut recherchierte ZDF-Serie „Preis der Freiheit“ (2020) vor Augen. So konnte sich der post- und neo-totalitäre Vertuschungssumpf seit 1990 nahezu grenzenlos ausbreiten. Unter Umgehung hoher Barrieren hielt ich dagegen. Mit meinen Integral-Art-Projekten gelang es mir, avancierte künstlerische Praxis-Alternativen aufzuzeigen, die neue Antworten auf die großen Fragen der Moderne vorschlugen, mitunter von Zigtausenden besucht und angenommen sowie von Rundfunkanstalten übertragen wurden. Allerdings vermochte ich damit der - von Gewohnheiten, Traditionalismen, Unterhaltung, Sport etc. flankierten – „realsozialistischen/realkapitalistischen“ Unterwanderung von Kultur durch die SED-Nachfolge-Netzwerke nur präzendenzfallartig Grundlegendes entgegen zu stellen. Deren Interessenlagen zeigten sich als derart durchschlagend,

dass es wohl erst eines kraftvollen Befreiungsschlages bedarf,

um die gegenwärtige Kultur aus diesem Würgegriff zu befreien. Erst dann dürfte es gelingen, eine moderne „Kultur um der Freiheit willen“ (Christian Meier) und eine nachhaltige moderne Demokratie aufzubauen, die Andersdenkende einzubeziehen anstatt zu eliminieren sucht und auch nicht länger (wie Hitler) Wagners nationalmythische Opernwelten als zentrales Kulturereignis akzeptiert.

Hiermit sind wir bei der zentralen Frage angelangt:

Wie kann eine Kultur der Moderne neu und zukunftstragfähig gedacht werden,

auch nach ihrem (u.a. von Wagners nationalmythischen Opernwelten geschwängerten) Missbrauch als Verschleierungspotential, nach Kolonialismus, Realsozialismus, Nationalsozialismus, nach dem sowjetischen GULAG-System, nach dem Holocaust, aber auch angesichts des totalitären chinesischen Realsozialismus, und nicht zuletzt des ungeheuerlichen Katastrophenpotentials der Moderne überhaupt, ihrer Umwelt- und Klimakrise? Welcher philosophischen, religiösen, ethischen, demokratischen, ökolonomischen, künstlerischen und sonstigen Qualitäten bedarf es, um heraufkommende neue Totalitarismen und Moderne-Katastrophen rechtzeitig abzuwehren?

Oder lehrt uns die Erfahrung, dass Kultur damit prinzipiell überfordert ist?

Wozu dann aber Kultur ? Zur Verhübschung, zur mentalen Verdrängung und als erneutes Verschleierungspotential alter wie neuer totalitärer Katastrophen? 2006 veröffentlichte ich dazu „INTEGRALE MODERNE -Vision und Philosophie der Zukunft“ (PFAU-Verlag), 2017 „KUNST – EINE TOCHTER DER FREIHEIT? oder warum es eine Kultur-Reformation bedarf“ (Kulturverlag KADMOS), außerdem entsprechende Kunstwerke und Integral-Art-Kunstaktionen.

Im doppelt post-totalitären Deutschland nach der Wende

hatten weder die westdeutschen noch die ostdeutschen Kulturverantwortlichen für solche Überlegungen ein Ohr.

"Georg Katzer, Frank Schneider & Co." spielte dies in die Hände. Denn sie hatten vor allem damit zu tun, ihre Verstricktheiten in die SED-Diktatur ins Normale zu versenken und somit ihre für die Deutsche Einheit machtrelevanten Positionen aus- und aufzubauen sowie (nach alter Stasi-Methode) mit neuen Legenden zu versehen. Wie das – wohl auch finanziell - am besten gehen könnte, darüber hatte sich Gregor Gysi bereits 1990 im Sinne Zigtausender SED-Genossen eingehend Gedanken gemacht (was er in der ZDF-Dokumentation „Countdown zur Einheit“ quasi zu Protokoll gab) und 2016 auch mit der MDR-Dokumentation "Was wurde aus der SED?"  beleuchtet wurde. Betrachtet man, wie sich z.B. "Georg Katzer, Frank Schneider & Co." nach der Wende z.B. mir gegenüber verhielten, so gehörte die systematische Ausgrenzung und kulturelle Eliminierung von ddr-oppositionellen Komponisten/Zeitzeugen wie mir offenbar direkt zu ihrem Programm.

Systematische Ausgrenzung und entsprechende Kameraderie

Nach meinen persönlichen Erfahrungen/Einschätzungen funktionierte dies, wie es schon durch die Stasi - z.B. mittels „Kontakttätigkeit“ und „Zersetzung“ - praktiziert wurde: Einerseits durch die Besetzung von Entscheiderpositionen im Bereich von Kultur und (Neuer) Musik mit Realsozialismus-Sympathisanten, andererseits durch Rufmord sowie die Fremdbesetzung – und ggf. leichte Umwandlung - von gewichtigen Titeln, Themen, Ideen und Projekten, wobei der originäre Urheber (in diesem Fall ich) systematisch ausgegrenzt wurde. 

Mit solcher Ausgrenzung ging in meinem Fall nicht nur die Ignoranz bzw. Verkleinerung ziemlich überragender (von der Kunst- und Musikkritik entsprechend anerkannter) künstlerischer Leistungen/Projekte einher (die für die Neue Musik hätten Renner sein können), sondern auch die Entwertung und Umdeutung der damit verbundenen geistig-kulturellen Intentionen. Zugleich verschafften sich die "kooperativen" Realsozialismus-Sympathisanten Positionen (s. Nachwende-Karrieren von Frank Schneider, Georg Katzer, Armin Köhler, Heike Hoffmann u.v.a.m.) sowie Aufträge (KukDok6), Preise, Verdienstkreuze (s. Bundesverdienstkreuze für Georg Katzer, Siegfried Matthus, Lothar Voigtländer), sonstige Würdigungen und anderweitige Vorteile. So feierten typisch totalitäre Machenschaften Auferstehung. Diese eher mafios funktionierende „erfolgreiche Arbeit“ wurde dann - wie von Georg Katzer geschehen - als „künstlerische Leistungen“ ausgegeben. Garniert von "Kameraderie" (Sebastian Haffner*) -  z.B. „gemeinschaftlichen Wanderungen in die Müggelberge", gemeinschaftlichen Essen, Fahrradtouren,  Konzertbesuchen sowie begleitenden "informellen Gesprächen" – zogen diese Leute somit ihre post- und neo-totalitären Fäden zur systematischen Ausgrenzung und kulturellen Eliminierung unliebsamer Fakten und Zeitzeugen.

Ein interessanter Artikel von Armin Pfahl-Traughber in DIE ZEIT Nr. 12 /2021, S.47, ist wie folgt überschrieben:

„Gefährliche Nähe. Sie relativieren Menschenrechte und universelle Werte: 
Wie sich linke Identitätspolitik und rechtes Denken die Hand reichen"

Ein fataler geistig-kultureller Kahlschlag ging damit einher.

*Sebastian Haffner:„Kameradschaft verdirbt und debraviert den Menschen wie kein
Alkohol und wie kein Opium. Sie macht ihn unfähig zum eigenen, verantwortlichen, 
zivilisierten Leben. Ja, sie ist recht eigentlich ein Dezivilisationsmittel. 
Die allgemeine Kameradschafts-Hurerei, zu der die Nazis die Deutschen verführt 
haben, hat dieses Volk heruntergebracht wie nichts anderes.“ 

Ihre "realkapitalistischen" Kollegen störten solche Vorgehensweisen offenbar nicht. 

Sie ließen sich dafür mitunter gern in diese Kameraderie einbeziehen und "realkapitalistisch" instrumentalisieren.

Lobenswerte Ausnahmen

- auch Menschen, die in der DDR aufgewachsen waren - bestätigen diese Regel! Durch sie hatte ich das Glück, trotz der schwierigen Lage ein großes Lebenswerk schaffen und in wichtigen Teilen realisieren zu können.

Ginge es angesichts der neo-totalitären Mentalitäten in Europa nicht um eine bedeutende Zukunftsfrage der Menschheit, könnte man die o.g. post-totalitären Probleme vielleicht als "normal" auf sich beruhen lassen.

Da es aber darum gehen muss, neue Totalitarismen auch geistig-kulturell abzuwehren,

ist es für die Zukunft - neben der Aufklärung der zig-millionenfachen Morde des realsozialistischen GULAG-Systems und seiner sonstigen Verbrechen - unverzichtbar, auch die (post)totalitären kulturellen Eliminierungsmethoden aufzuklären und über deren jahrzehntelangen Einfluss auf die deutsche und europäische Kultur und den damit verbundenen geistig-kulturellen Kahlschlag nachzudenken. Ein weites Feld, das an dieser Stelle auf den Bereich der Musik und meine Person beschränkt sein muss, ohne damit vergleichbare Beispiele aus anderen Kunstbereichen in Abrede zu stellen. So ist Kurt W. Streubel ein Beispiel für den Bereich der Bildenden Kunst, Jürgen Fuchs ein Beispiel für den Bereich der Literatur.

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Victor Klemperer: "Beobachte, studiere, präge dir ein, was geschieht!"

Beispiele/Dokumente zum Bereich der Neuen Musik und Klangkunst

Nach der Wende fing es in meinem Fall so an - „rivolto“ von H.Johannes Wallmann (Berlin, 1983) . / . rivolto“ von Helmut Zapf (Berlin/Witten, 1990): Am 11.11. 1983 war im TiP vom Berliner "Palast der Republik" mein "rivolto" (für Violine, Flöte, Fagott und Klavier) zur Uraufführung gekommen. Mit dieser Komposition hatte ich - ganz bewusst diesen Titel wählend - an diesem Ort für die Freiheit, Verantwortung und Wahrhaftigkeit von avancierter Kunst/Musik eingestanden und somit in diesen Palast des SED-Totalitarismus quasi einen kleinen künstlerischen "Sprengsatz" gesetzt. Für mich war dies - bis hin zum dann unvermeidlichen DDR-Ausreiseantrag - mit erheblichen Konsequenzen verbunden. In seinem Brief vom 25.4.1985 hatte Helmut Zapf (dem ich mit der "gruppe neue musik weimar" eine gewisse erste Öffentlichkeit verschafft hatte und der dann 1982-86 Georg Katzers Meisterschüler wurde) mir geschrieben, dass sein Stück "Contra-Punkte" durch mein "rivolto" angeregt worden sei (s.a. gnmwDok25). Am 20. April 1990 wurde dann bei den "Wittener Tagen für neue Kammermusik" (den ersten nach dem Mauerfall!) eine Komposition von Helmut Zapf namens "rivolto" zur Uraufführung gebracht (KukDok8) - so als hätte es das "rivolto" von 1983 nie gegeben. Ich schluckte, nahm es aber stillschweigend hin. Später schlug ich Helmut Zapf (der nach der Wende im GEMA-Wertungsausschuss für die finanziell relevante "Bewertung der künstlerischen Persönlichkeit" von GEMA-Mitgliedern wie mir zuständig wurde) wiederholt vor, beide Werke gemeinsam zur Aufführung zu bringen. Er lehnte jedoch ab. War es bereits 1990 darum gegangen, mit seinem "rivolto" das ursprüngliche "rivolto" quasi totzuschweigen? Später sah ich darin die Ankündigung jener SED/MfS-Nachwendetaktik, tatsächlich ddr-oppositionelle Künstler und deren Intentionen aus dem gesellschaftlichen Bewusstsein zu verdrängen, ihnen kulturelle und soziale Anerkennung zu verwehren (s.a. Beispiel 9).

Beispiel 2  ZEITKLANG/KLANGZEIT IN LANDSCHAFT UND ARCHITEKTUR (Wuppertal 1992)  . / . „klangRAUM/RAUMklang" (Donaueschingen 1993): Armin Köhler war einst bei Edtion Peters Dresden/Leipzig mein Lektor. Er kannte meine Ideen und Raum-Musik-Kompositionen bestens und hatte 1992 mein – u.a. von der Europäischen Union gefördertes - Festival „Klangzeit Wuppertal“ besucht. Auch wusste er aus DDR-Zeiten, dass ich ideologiefreie Kunst vertrat und daher politisch ziemlich gefährdet gewesen war (KukDok9a,b). Ebenso wusste er um meinen kulturpolitisch begründeten DDR-Ausreiseantrag. Dass er als neuer Leiter der Donaueschinger Musiktage 1993 sein erstes Thema in enger Anlehnung an mein Wuppertaler Thema 1992 formulierte und meine Intentionen und mich als Person zugleich ausgrenzte, ließ tief blicken. Durfte ich auch das stillschweigend hinnehmen? Ich protestierte.

Beispiel 3Klangkunst“: Im Original meines schreibmaschinegeschriebenen Integral-Art-Konzeptes (1985-87) standen unter der Überschrift "Integral-Art" die vier Worte: Klang . Kunst . Forschung . Findung. Für "Klangzeit Wuppertal" hatte ich Klang . Kunst zu Klangkunst zusammengezogen. Nachdem „Klangzeit Wuppertal" 1991/92 ziemlich erfolgreich verlaufen war, suchte ich nach Möglichkeiten, dieses von mir initiierte / geleitete erste internationale Klangkunstfestival Deutschlands in irgendeiner Form fortzusetzen (die marode Wuppertaler Finanzlage schloss das leider aus). In Berlin wurde der Klangzeit-Katalog nahezu begeistert aufgenommen. Und so wurde mir 1993 von der Akademie der Künste Berlin (dem Sekretär der AdK-Sektion Musik, Christian Kneisel) der Auftrag angeboten, das Konzept für die 300-Jahrfeier der Akademie 1996 zu erstellen (KukDok10a). Ich formulierte angesichts seines Drängens und seiner Versprechungen ein Konzept namens „Kulturelle Visionen – Formen, Farben Klänge“ sowie eine entsprechende Kostenkalkulation. Nachdem Christian Kneisel mein Konzept erhalten hatte, hörte ich von ihm trotz oft wiederholter Nachfragen nie wieder etwas. 1996 zur 300-Jahrfeier der AdK erschien dann ein umfangreicher Katalog, der in großen Lettern „klangkunst“ titelte (KukDok10b), aber das erste internationale Klangkunstfestival Deutschlands "Klangzeit Wuppertal 1991/92" einfach überging. Lediglich im Anhang unter „klangkunst im 20. jahrhundert – eine chronologie“ ist unter „1990“ die Bauhütte Klangzeit Wuppertal mit genau 10 Worten erwähnt; d.h., sogar diese Erwähnung ist falsch, denn „Klangzeit Wuppertal“ fand 1991/92 statt. Ein paar Jahre später besuchte mich ein Veranstalter aus dem Klangkunst-Bereich. Als ich ihn fragte, ob er nicht auch mal eine Arbeit von mir in seine Programme aufnehmen könnte, antwortete er, dass das nicht ginge, da ich "nicht auf der Liste der Klangkünstler" stünde. D.h. - der (Er)Finder des Klangkunst-Begriffes nicht auf dieser Liste? Stellt sich die Frage: Wer verfertigte unter welchen Prämissen diese Liste?

Angesichts dieser drei Beispiele begann ich zu begreifen, mit welch mafiosen Methoden ich es zu tun bekommen hatte, die möglicherweise vor allem dazu dienen sollten, die SED- und Stasi-Verstrickungen einzelner Personen zu kaschieren. Zugleich wurde mir gelernt, wie stringent realsozialistische mit realkapitalistischen Interessenlagen kooperieren, um eine systematische Ausgrenzung unliebsamer Fakten sowie die kulturelle Eliminierung entsprechender Zeitzeugen zu erreichen. Diesbezüglich möge die Beschreibung der o.g. drei Beispiele genügen. Weitere Beispiele hier nur noch als Schaubilder; in meinen/unseren beiden Büchern "Die Wende ging schief" (Kulturverlag Kadmos 2009) und "KUNST - EINE TOCHTER DER FREIHEIT?  (Kulturverlag Kadmos 2017) ist Näheres dazu nachzulesen.

Beispiel 4 „Glocken Requiem Dresden“  . / . „Dresden Requiem“ (KukDok11)

Beispiel 5a „Klangzeit“ . / .  „KlangZeiten“  (KukDok12)

Beispiel 5b "Eine Geschichte der Hochschule für Musik FRANZ LISZT Weimar"  (bitte hier klicken)

Beispiel 5c Zur Aufarbeitung der Totalitarisverstrickung der Weimarer Musikhochschule (bitte hier klicken)

Beispiel 5d Konzept 1992: bauhaus integral weimar / Brief der Stadt Weimar 2.8.1993 / 1996 dann "Bauhaus-Universität Weimar" (KukDok15-pdf)

Beispiel 6 „Innenklang-Außenklang . / .  „Vom Innen und Außen der Klänge“  (KukDok13)

Beispiel 7 "SYN4", KLANG FELSEN HELGOLAND, „der-blaue-klang.de“, „der-gruene-klang.de“, "gleich den vögeln" . / .  „Neue Musik und Natur“ - Hrsg.: Jörn Peter Hiekel, Mainz:Schott, 2014 (KukDok14); bzgl. Jörn Peter Hiekel sind auch dessen Aktivitäten in Darmstadt interessant, mit denen er ganz nah an den von mir mit meinem Wuppertaler Projekt gesetzten Themen agierte (ohne dies zu benennen).

Beispiel 8  „Fake-News“ der bisherigen DDR-Musikforschuung

Beispiel 9  2013 - die bewusst täuschende Positionierung Georg Katzers als DDR-Oppositioneller (bitte hier klicken)

Beispiel 10 2014 - Ehrungen/Würdigungen des höchstrangigen SED-Kulturfunktionärs Hans Pischner - ihm gegenüber waren "Katzer,Schneider&Co." lediglich kleine Fische (bitte hier klicken)

Weil Kultur die Gemüter konfiguriert

und eine der wesentlichen geistigen Einflusssphären ist, die der menschlichen Gesellschaft zur Verfügung stehen, wird die deutsch-deutsche Kultur- und Musikgeschichte 1961-2021 angesichts der o.g. Fakten in nicht unerheblichem Ausmaß neu geschrieben werden müssen.

Zusammenfassung

Keineswegs erhebe ich den Anspruch, die o.g. Titel/Themen für mich gepachtet zu haben. Doch um der Erfüllung der eingangs genannten ganz großen kulturellen Aufgabe sowie einer anti-totalitären Kultur-Entwicklung willen darf und muss ich verlangen, dass die mit meinen künstlerischen Projekten verbundenen philosophischen, kompositorischen, künstlerischen, kulturellen, politischen Aspekte und Fakten nicht länger aus dem kulturellen Bewusstsein sowie der Neuen Musik und Klangkunst ausgegrenzt werden. Dies auch gerade deshalb, weil mir – nicht zuletzt angesichts von Kurt W. Streubels Leben und Werk - durchaus klar war, dass für ein zukunftsrelevantes, aufgeklärt-modernes, freiheitsbewusstes, ideologiefreies Künstlersein ein hoher Preis bezahlt werden muss. Ich denke, diesen Preis entrichtet zu haben. Nun bedarf es einer jüngeren Generation, die dieses Saatgut aufgehen lässt, anstatt Kunst, Kultur, Demokratie (und karrierebewusst auch sich selbst) neuen Totalitarismen auszuliefern. Dann könnte ich (fast) nur noch komponieren!

Berlin, am 7. März 2021 - H.Johannes Wallmann, mit Dank an meine Frau Susanne, ohne die diese Dokumentation nicht zustande gekommen wäre.

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Dokumenten-Verzeichnis

KuKDok1a: Interessebekundung zur Teilnahme an den Darmstädter Ferienkursen für Neue Musik; Brief vom 18.9.1983 von Johannes Wallmann an den Direktor des Internationalen Musikinstitutes Darmstadt (IMD) Friedrich Hommel / Dokument aus dem IMD-online-Archiv: IMD-A100426-202551-17.00_svga.png // vom IMD an S.Wallmann zugesandt

KuKDok1b: Einladung an Johannes Wallmann von den Darmstädter Ferienkursen: Brief vom 25.5.1984 von Friedrich Hommel an Johannes Wallmann / Wallmann-Archiv-Dokument

KuKDok1c: Von den DDR-Behörden wurde Johannes Wallmann die Teilnahme an den Darmstädter Ferienkursen untersagt; auf Wallmanns - in Darmstadt vorliegendem - Anmeldeformular wurde handschriftlich „Absage, 11.7.84“ notiert / Dokument aus dem IMD-online-Archiv: IMD-A100403-201889-05.00_svga.png // vom IMD an S.Wallmann zugesandt

KuKDok1d: Anmeldeformular (Rückseite) / aus dem IMD-online-Archiv: IMD-A100403-201889-05.01_svga // vom IMD an S.Wallmann zugesandt

KuKDok2a: Brief/Einschreiben vom 11.7.1984 von Johannes Wallmann an die Darmstädter Ferienkurse (Herrn Wilhelm Schlüter): Wallmann teilt darin mit, dass seine Reise nach Darmstadt von den DDR-Behörden nicht genehmigt wurde. / Wallmann-Archiv-Dokument

KuKDok2b: Foto: Frank Schneider + Georg Katzer beim Darmstädter Ferienkurs 1984 / Bildschirmfoto (28.1.2021) / Im Gegensatz zu Wallmann wurden Schneider und Katzer von den DDR-Behörden die Reise nach Darmstadt genehmigt; zur „Kontakttätigkeit“ und „Blickfeldarbeit“?

KuKDok3a: eMail vom 2.11.2018 von Jürgen Krebber (Stellv. Direktor des IMD) an Susanne Wallmann. Krebber sagt, dass Wallmanns Einschreiben vom 11.7.1984 im IMD-Archiv nicht vorhanden sei und lehnt es ab, dieses in das IMD-Archiv aufzunehmen. Da die DDR-Post dieses Einschreiben offenbar unterschlagen hat, wieso macht sich das IMD bzgl. deutsch-deutscher Musikforschung noch 2018 damit „ein für allemal“ gemein? / Wallmann-Archiv-Dokument

KuKDok3b: Brief vom 9.11.2018 von Susanne Wallmann an Jürgen Krebber (Stellv. Direktor des IMD): Sympathisieren mit den Parteigängern der SED-Diktatur? / Wallmann-Archiv-Dokument

KuKDok4: In Beantwortung des Schreibens vom 9.11.2018 löschte das IMD in seinem online-Archiv jeglichen Eintrag zu „Johannes Wallmann (Bildschirmfoto vom 28.1.2021). Übereinstimmung von „realsozialistischen“ und „realkapitalistischen“ Interessenlagen?

KuKDok5: "Ereignis Darmstadt" - DFG-Projekt 2010 bis 2021 (Bildschirmfoto vom 28.1.2021) Welchen Einfluß hat das unter KuKDok3a und KuKDok4 dokumentierte Verhalten des IMD auf die deutsch-deutsche Musikforschung?

KuKDok6: Kompositionsauftrag an Siegfried Matthus für die „musikalische Weihe der Dresdner Frauenkirche“, Uraufführung seines „Te Deum“ am 11.11.2005. Durch Nationalsozialisten und ihre „Deutschen Christen“ entweiht, durch einen Realsozialisten und ehem. SED-Genossen musikalisch wieder eingeweiht? (Bildschirmfoto vom 3.3.2021)  Es gab Alternativen dazu.   Auch das GLOCKEN REQUIEM XXI.

KuKDok7a: Berliner Morgenpost am 9.2.2014: Zu Ehrungen zum 100.Geburtstag von Hans Pischner, einem der höchstrangigsten SED-Kulturfunktionäre, u.a. Mitgleid des ZK der SED.

KuKDok7b:Email 31.3.2014 von H.Johannes Wallmann an Manos Tsangaris und Enno Poppe - Leiter der Sektion Musik der Akademie der Künste Berlin

KuKDok8: Uraufführung „rivolto“ von Johannes Wallamann 1983; Uraufführung „rivolto“ von Helmut Zapf 1990. / Wallmann-Archiv-Dokument

KuKDok9a: Armin Köhlers scherzhafte Bemerkung gegenüber Johannes Wallmann bzgl. „Ausreisekandidaten“ (aus: „Die Wende ging schief“, Kadmos 2009, S.143)

KuKDok9b: Armin Köhler weist Johannes Wallmann auf eine „große Schweinerei“ hin (aus: „Die Wende ging schief“, Kadmos 2009, S.148)

KuKDok10a: Nach Wallmanns Positionierung des Klangkunst-Begriffes mittels der BAUHÜTTE KLANGZEIT WUPPERTAL bat/beauftragte die Berliner Akademie der Künste (AdK) Wallmann, ein Konzept für deren 300-Jahr-Feier im Jahr 1996 zu entwerfen (Fax von Chr.Kneisel vom 29.11.1993/Wallmanns Konzept-Titelblatt vom 13.12.1993) / Wallmann-Archiv-Dokument

KuKDok10b: Titelblatt der Klangkunst-Projekte 12.9.-4.10.1992 der BAUHÜTTE KLANGZEIT WUPPERTAL – des ersten internationalen Klangkunst-Festivals Deutschlands . /. Katalog „klangkunst“ (Hrsg. Akademie der Künste Berlin, Prestel-Verlag 1996), in dem das Wuppertaler Klangkunst-Festivals nur falsch und im Anhang Erwähnung fand. / Montage

KuKDok11: 1995 fand anläßlich des 13.Februars 1945 die UA von Wallmanns GLOCKEN REQUIEM DRESDEN (live übertragen von mdr, Deutschlandradio, BBC London, Radio Washington DC.; 30-70.000 Zuhörer allein an der Dresden Frauenkirche, Millionen an den Rundfunkempfängern). Anläßlich der UA des „Dresdner Requiem“ 2012 von Lera Auerbach behauptete der mdr wider besseren Wissens, dass ihr Werk seit 1948 die einzige Totenmesse sei, die in direktem Bezug zur Zerstörung Dresdens im Februar 1945 komponiert wurde. / Montage

KuKDok12: Den Katalog der BAUHÜTTE KLANGZEIT WUPPERTAL überreichte Wallmann Ende 1992 persönlich den Weimarer Musikwissenschaftlern Wolfram Huschke und Michael Berg. Die mit DDR-Musikforschung zentral befassten Weimarer Musikwissenschaftler um Michael Berg, Albrecht von Massow und Nina Noeske verwenden den Titel „KlangZeiten“ für ihre seit 2004 erscheinende Reihe zur DDR-Musikforschung – jedoch ohne die BAUHÜTTE KLANGZEIT WUPPERTAL sowie Wallmanns Studium und seine Tätigkeit in Weimar (z.B. die „gruppe neue musik weimar“) auch nur zu erwähnen. Was ist von einer solchen DDR-Musikforschung zu halten?

KuKDok13: 1997 erfolgte - als Teil des Gesamtprojektes INNENKLANG-AUSSENKLANG - die UA von Wallmanns Raumklang-Komposition INNENKLANG durch das Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin, veranstaltet und live übertragen von DeutschlandRadio. 2004 veröffentlichten Armin Köhler und Rolf W. Stoll (Schott/Mainz) zwei DVD´s mit dem Titel „Vom Innen und Außen der Klänge“, Wallmanns INNENKLANG-AUSSENKLANG keine Erwähnung fand.

KuKDok14: 1996 bzw. 2003, 2004 fanden die Uraufführungen von Wallmanns Landschaftsklang-Kompositionen KLANG FELSEN HELGOLAND, „der grüne klang“ und DER BLAUE KLANG statt. 2014 gab Jörn Peter Hiekel als Veröffentlichung des INMM Darmstadt das Buch „Neue Musik und Natur“ (Mainz : Schott 2014) heraus. Hiekel nimmt darin keinen Bezug auf Wallmanns diesbzgl. Schaffen, das dieses Thema bereits mit den Symposien/Projekten der BAUHÜTTE KLANGZEIT WUPPERTAL zu bearbeiten begonnen hatte.

KuKDok15/pdf: Wallmann schlug der Stadt Weimar mit Datum 3.11.1992 die Neugründung eines Bauhaus Weimar vor, das Bauen im übertragenen Sinne meint (s.a. Faltblatt Bauhütte Klangzeit Wuppertal 1991). Der Vorschlag wurde gleichermaßen abgewiesen wie aufgegriffen. Denn 1996 wurde die Weimarer Hochschule für Architektur und Bauwesen in Bauhaus-Universität umbenannt/umstrukturiert.

Die hier genannten Beispiele/Dokumente können als Belege dafür gelten, wie weit und engmaschig das „realsozialistische/realkapitalistische“ Netzwerk (hier „Katzer, Schneider&Co.“ genannt) sowohl vor als auch nach der Wende geknüpft ist und welch vielfältige (wahrscheinlich finanziell gut untersetzten) Verschleierungs-, Vertuschungs- und Verhübschungs-Interessenlagen damit verbunden sein dürften.

P.S.: Glücklicherweise fanden sich trotzdem immer wieder Veranstalter, Rundfunkleute, Musikkritiker, Verlage, die die Qualität meines Schaffen hoch zu schätzen wussten.

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