Symbiose von Moderne und Volksinstrumenten
Zupfinstrumente werden in ihrer Bedeutung für die Moderne
meistens unterschätzt. Doch bereits in der Malerei von Pablo Picasso
und Georges Braque wurden sie zu "Ikonen der Moderne“. Bedenkt man,
dass in diesen Bildern die Moderne mit Volksinstrumenten zu einer
Symbiose verschmilzt, kann das als eine Metapher und als eine
interessante Herausforderung für die Komponisten der Gegenwart gelten.
Johannes Wallmann stellte sich dieser Herausforderung und schrieb für
das Berliner Zupforchester und den Kammermusiksaal der Berliner
Philharmonie (der architektonisch auf einem Sechseck basiert) „MAN-DO -
Musik im Raum für 6 Instrumentalgruppen“. Eine
Aufführung der Komposition ist auch in allen anderen Räumen möglich, in
denen um das Publikum herum 6 Musikerpositionen eingenommen werden
können.
MAN-DO : Mensch, finde deine Handlungsspielräume
angesichts der Moderne und ihrer evolutiv neuen Situation!
Uraufführung
am 29.2. 2004 im Kammermusiksaal der Berliner Philharmonie
Interpreten: Das Berliner Zupforchester, Leitung: Vicente Larranaga
Die Komposition
beschäftigt sich nicht nur mit den
verschiedenen klanglichen Möglichkeiten von Zupfinstrumenten, sondern -
auf Grundlage von präzisen geometrischen Figuren - auch mit dem Verlauf
von Klängen und Motiven im Raum. Der Dirigent, der sich in der Mitte
zwischen den sechs fest positionierten Musikergruppen befindet,
koordiniert diese sechs Gruppen und gestaltet darüber hinaus in einigen
Teilen die musikalischen Abläufe frei nach den Regeln der Komposition.
Die
Musik umgibt den Zuhörer von allen Seiten, so dass ihre Räumlichkeit
unmittelbar erlebbar wird.
Die Sätze
1. "Kreislauf polar"
2. "Zwei Dreiecke"
3. "statisch bewegt, diagonal"
4. "Linien, Rhythmen, Klänge"
- Im ersten Satz - „Kreislauf polar" - verlaufen Töne und Klänge von
Position zu Position im Kreis; links- oder rechtsherum. Der Satz, in
dem der Dirigent atmende Klangschübe gestaltet, beginnt und endet mit
einem Dialog zwischen den drei vorderen und den drei hinteren
Positionen. „Polar“ heisst dieser Satz, weil in ihm verschiedene polare
Gegensätze zur Ausprägung kommen.
- In "Zwei Dreiecke" dem
zweiten Satz, der in weiten Teilen von Geräuschen getragen wird - sind
die beiden ineinander verschränkten Dreiecke des Sechseckes
thematisiert. Neben simultanen Kreisverläufen in den Dreiecken werden
die beiden Dreiecke auch konkret gegeneinander gesetzt. Den an- und
abschwellenden pochenden Klangschüben des einen Dreiecks stehen
abstürzende oder aufsteigende Motive des anderen gegenüber. Und
manchmal verschmelzen darüber beide Dreiecke zu einem Gesamten.
- Der
dritte Satz - "statisch bewegt, diagonal" - ist aus kleinen melodiˆsen
Figuren, aus leisen Klangfeldern, aus einem kurzen schnellen starken
Rhythmus sowie aus einer zarten Reihe von zwölf vereinzelten Tönen
gearbeitet. Die drei Diagonalpositionen treten in ein antiphonales
Wechselspiel, das immer wieder zur Stille vordringt. Aus kleinen
Melodien, aus Ruhepunkten und Rhythmen entsteht ein anmutiger Ausgleich
von Statik und Bewegung.
- Im vierten Satz - "Linien, Rhythmen,
Klänge" - werden alle Bewegungsformen miteinander kombiniert. Um die
Zuhörer werden im Kreis weite Klanglinien durch den Raum gezogen, wobei
sich die beiden Kreisrichtungen abwechseln und die Einzeltöne zuvor
jeweils zu Klängen aufgestaut werden. Die beiden Dreiecke und die drei
diagonalen Musikerpositionen sowie die Kreisverläufe treten zueinander
in Beziehung; mit atmenden Klangschüben, akkordischen Klängen, mit
Linien und Rhythmen, die kommen und gehen und sich zum Schluss
überraschend auflösen.
Stimmen zur Uraufführung
• an das Berliner Zupforchester: „Ich war völlig begeistert von dem Konzert, genauer gesagt war es das erste Eurer Konzerte, das mir uneingeschränkt gefallen hat (sorry!). Ein Genuss war es, den Dirigenten zu beobachten. Die Konzentration von Dirigent und Orchester war geradezu im Raum greifbar, ebenso die enge Bindung zwischen Euch. ... “ (A. T., Historiker)
• „Für mich war es eine dreifache Premiere: Mein erster Abend im Kammermusiksaal, mein erstes zeitgenössisches Konzert und meine erste Begegnung mit Zupfmusik. Es hat mir in jeder Beziehung Lust auf mehr gemacht. ...“ (S. E., Finanzbeamtin)
• „Die Uraufführung Eures Raumklangkonzertes war wirklich ein besonderes Erlebnis und ich habe mich gefreut dabei zu sein. Die räumliche Wirkung war sehr gelungen, der Klang wanderte wirklich um einen herum, allerdings manchmal etwas leise, fanden wir. Beide Stücke erforderten ja höchste Konzentration und für Euren Dirigenten war es eine besondere Herausforderung, ganz toll!!! ....“ (B. K., Tierärztin)
• "Eigentlich bin ich kein großer Freund von neuer Musik, aber MAN-DO hat mir rundum gefallen. Als ehemalige Orchsterspielerin fand ich es faszinierend, das Zusammenspiel von Dirigent und Orchester über die große räumliche Entfernung hinweg zu beobachten. ..." (E. O., Rentnerin)
• „Es war übrigens ein sehr schönes Konzert neulich mit MAN-DO im Kammermusiksaal der Philharmonie. Der Raum selbst kam durch die impulshaften Klänge der Instrumente wunderbar zur Geltung, die strukturellen Bezüge wurden durch die präzise Ortung sehr deutlich. Stellenweise fühlte ich mich an Renaissance-Musik erinnert. ...“ (R.H., Komponist)
• „Das Konzert war wie ein guter Krimi. Spannend bis zum Schluss.“ (S. G., Angestellte
• „... Ich fühlte mich bei dieser Musik wie in einem Wassertropfen, der durch die Weltmeere treibt, so einfach und klar. Es war derselbe Effekt, den Yoga auf meinen Geist hat. Eine sehr große Einfachheit. Das Gefühl von Weite und Klarheit. Eine Vision, wie das Leben sein könnte.“ (K.S., Journalistin)