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CD musik als raum
Kammermusik-Kompositionen von H. Johannes Wallmann - Aufnahmen von Deutschlandfunk, WDR, HR, SFB, SR, MDR
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Bei Interesse wenden Sie sich an production - attt - integral-art.de
CD mit Kammermusik-Kompositionen von H. Johannes Wallmann - Aufnahmen von Deutschlandfunk (Deutschlandradio), WDR, HR, RBB (SFB), SR, MDR
„Alles, was an irgendeinem Punkt dieses musikalischen Raumes geschieht, hat mehr
als örtliche Bedeutung. Es hat nicht nur auf seiner eigenen Ebene
Funktion, sondern in allen anderen Richtungen und Ebenen und ist selbst
an entfernter gelegenen Punkten nicht ohne Einfluß. ...“
(aus: Arnold Schönberg:"Komposition mit zwölf Tönen")
Track 1: um die Mitte (moderabel 2), 1988
Südwestpresse Ulm/Tübingen, 21.4. 94, über eine Aufführung von Wallmanns "um die Mitte": »Als nähme das kompositorische Subjekt sich lauschend zurück, gebiert dieser Ton seine Oktave scheinbar aus sich selbst, kehrt zu sich zurück, und der folgende Sekundschritt wirkt in dieser Umgebung als großes, nie gehörtes Intervall. Aus ihm entsteht die Terz als flirrender, in sich bewegter Klang, und fast die einzige (halbtaktige?) schnellere Folge von drei Tönen leuchtet als Arioso hervor; als sei ein Wunschbild erfüllt, daß die Klänge von selbst sich erzeugen, von selbst sprechen, traumwandlerisch das Richtige geschähe.«
Alle moderabel-Stücke von H.Johannes Wallmann beruhen auf der Idee,
universelle Kompositionen zu schaffen, deren allgemeine Struktur durch
die jeweilige Besetzung konkreten Instrumentalcharakter erhält. Zu der
1978 geschriebenen Komposition „in der Vorstellung eines blassen Mondes
zu spielen“ (moderabel 1) entstanden 1988 drei weitere Kompositionen,
„um die Mitte“ (moderabel 2), „geschwungen Linie“ (moderabel 3),
„magnetisch bewegt“ (moderabel 4), die ebenso wie moderabel 1 auf
dieser Idee sowie auf der Symmetrieachse fis´ beruhen. Sie bilden
gemeinsam die „suite moderabel“ für vier Instrumentalisten und können
in unterschiedlichen Besetzungen aufgeführt werden. In "um die Mitte"
(moderabel 2) wird die Symmetrieachse fis´ der „suite moderabel“
explizit hörbar. Auf dem fis´ entfaltet sich in verschiedenen Phasen
der Komposition ein Kanon von Dauern, Klangfarben, Oktavierungen und
Richtungsverläufen. Gleich zu Beginn wird auf der Grundlage der
Zahlenrelationen 4-2-3 ein solcher Kanon zwischen den vier Instrumenten
aufgebaut. Während dabei der Einsatz der fis-Töne mit den Dauern 4-2-3
rechtsherum verläuft, verlaufen die fis-Töne mit den Dauern 4
alleingenommen linksherum, sodass sich zu gleicher Zeit auf einem Ton
zwei entgegengesetzte Richtungsverläufe vollziehen. (Die vier
Instrumentalisten sind um das Publikum verteilt zu denken.) Nach einer
Doppelrunde mit dieser Dauernreihe (4-2-3) erscheint im 36. Takt das
gis´, nun allerdings in schnellen cresc.-decresc. –Schüben und nicht
mehr kreisförmig, sondern zwischen den diagonal benachbarten
Instrumentalisten 1 und 4 hin und her schwirrend. Schon im 48. Takt
sinkt das kräftige gis´ auf ein blass strahlendes, wieder kreisförmig
verlaufendes, e´ hinunter, das in den schemenhaft flüchtigen Klang vom
60.Takt mündet, der dem Schlussklang in Takt 279 entspricht. Nach einer
erneuten 35-taktigen fis-Phase hören wir ab Takt 106 dann - in
Spiegelung von Takt 36 - die schnellen diagonalen
cresc.-decresc.–Schübe auf dem Ton e´ zwischen den diagonal
benachbarten Instrumentalisten 2 und 3. Diesem schließt sich ein
kreisförmiges gis´ an , das im Takt 129 - wie als Erinnerung - den
gespiegelten Klang von Takt 60 hörbar werden lässt. Diese Klangstruktur
wird dann (nach der Mitte in Takt 140) in verschiedenen strengen
Umkehrungsvarianten aufgefächert hörbar (Takt 150 und folgende). Mit
Takt 201 geht es in eine Variante des Anfanges, wobei hier das
Dauernspiel gebrochen ist. Wir finden zudem nicht mehr die paarweise
17-taktigen Phasen (wie bis zu Takt 140) vor, sondern eine dreifach
17-taktige Phase, der sich eine 28-taktige Coda anschliesst. Die
Gesamttakte der Komposition (es sind 280) deuten ebenso auf die Zahl 7,
wie die 35-taktigen Phasen, die – unter Hinzufügung eines Taktes aus
den jeweils paarweisen 17-taktigen Phasen hervorgehen.
Artus-Quartett, Streichquartett des SR: Götz Hartmann, Rosemarie Keller, Kathalina MCDonald, Walter Kelle Eine Gemeinschaftsproduktion von Saarländischem Rundfunk und Deutschlandfunk. Redaktion der Aufnahme: Dr. Friedrich Spangemacher und Reinhard Oelschlägel Dauer: 7:17´
Die "suite moderabel" kann auch als KONZERT IN SPIEGELFORM aufgeführt werden.
Track 2: MIT ACHT TÖNEN – drei Klavierstücke und ein Intermezzo, 1983
„MIT ACHT TÖNEN von Johannes Wallmann zählt zu den Raritäten der neuen
Klaviermusik, die durch Zurückhaltung in Gestik und Expression
auffallen. Daß solche Stücke, die in ihrer Diskretion und kristallinen
Klarheit inmitten der lärmenden Egozentrik wie verirrte Kieselsteine
anmuten, verwundert nicht. Auch drohen solche zarten Stücke schnell von
Geröll zugedeckt zu werden. Zudem sind diese Stücke ein Beleg, wie
Cages Nicht-Ich-verhaftetes-Denken über Mauern zu hüpfen vermochte.“
(Walter Zimmermann)
Johannes Wallmann, Klavier Redaktion der Aufnahme beim Westdeutschen Rundfunk: Arnd Richter Dauer: 5:11´
Track 3: In der Vorstellung eines blassen Mondes zu spielen (moderabel 1), 1978
In der Vorstellung eines blassen Mondes zu spielen (moderabel 1)
entstand 1978 nach der Lektüre von Wassily Kandinskys "Punkt und Linie zu
Fläche". Ausgangspunkt dieser Komposition ist ein flächiger
Vier-Ton-Akkord, der sich innerhalb eines Tritonus (es´- a´) aus vier
Ganztonschritten zusammensetzt. Dieser Akkod bricht punktuell mehr und
mehr auf und lässt aus dem Zusammenspiel der einzelnen Töne eine
farbige Klangfläche entstehen. Diese Klangfläche zieht sich nach einer
kurzen Ausdehnung im 16. Takt urplötzlich auf das fis´ zusammen und
gerinnt damit sozusagen zu einem Punkt. In der zweiten Phasen (ab Takt
21) wird der Tonraum durch auf- und absteigende Ganztonlinien
wesentlich stärker als in der ersten entfaltet, stürzt aber im 32.Takt
wiederum auf das fis´ zusammen, das nun nach kurzem Innehalten in die
Oktaven und die Leere stiebt. In den folgenden dreimal 3-taktigen
Phasen treten ab Takt 38 zu dem fis´ eine Reihe von Tritonus- und
Quint- bzw. Quartschritten, die als Punkte die fis-Linie
kontrapunktieren und (in Takt 42-44) der Stille verbunden einzeln zu
hören sind. Ab Takt 50 verknüpfen sich diese Punkte zu einer Linie, die
in Takt 63-68 in der ersten Stimme augmentiert auftritt. Nach dem Ende
der Linie beginnt eine sich mehr und mehr exzesshaft steigernde Phase
flächenartig linearer Entfaltungen, die im Moment der höchsten
Steigerung und Entäusserung abrupt abbricht und zu dem um das Zentrum
gelagerten Viertonklang des Anfangs zurückkehrt. Auf seiner Grundlage
werden nun sowohl rhythmisch als auch klanglich kleine Netzwerke
entfaltet, die sowohl das Prinzip des Punktes, als auch das der Linie
und der Fläche in sich vereinen. Zum Ende der Komposition nehmen sie in
einer fast choralisch zu nennenden Flächen-Satztechnik geschliffene
Form an. Der Schlussakkord ist wie der Anfangsakkord, doch alle Stimmen
sind untereinander diagonal vertauscht, wenn auch gleich weit von der
Mitte entfernt. Die Überschrift der Komposition ist allein eine
Spielanweisung an die Musiker, und hat keinen weiteren gedanklichen
Hintergrund, als den, sich bei der Interpretation eines weiten, stillen
und nur teilweise wahrnehmbaren Raumes bewusst zu sein.
ClariNetwork: Roland Diry, Wolfgang Große, Ib Hausmann, Wolfgang Stryi Redaktion der Aufnahme beim Hessischen Rundfunk: Ernstalbrecht Stiebler Dauer: 8:01´
»...Danach tauchen wir doch noch ganz in den Raum ein, verschwinden in
ihm mit Wallmanns »Transforma«. Stimmen, hoch in der Frequenz, schweben
durch den alten Wasserspeicher, füllen den Raum ganz aus, und mehr als
einmal prallen sie aufeinander wie glitzernde Stahlkugeln. Hier wird
wahr, was die Idee der Kryptonale III ist: der Raum, wie er da ist,
bleibt sich selbst erhalten, der innere Raum weitet sich.« (Berliner
Zeitung, 19.09.97 zur Uraufführung von »TRANSFORMA«)
Das letzte Gedicht von Stéphane Mallarmé »UN COUP DE DÉS« (1897) -
einer der großen literarischen Würfe am Ende des 19.Jahrhunderts und
wohl der erste wirkliche gelungene einer grafischen Aufteilung,
Verknüpfung und Assoziierung von Worten und Wortgruppen – hat mich seit
1977 immer wieder beschäftigt und gereizt. Als 1997 die Idee der
Komposition einer Raummusik für 5 Soprane in den alten Wasserspeichern
entstand, war der lang erwartete Zugang, mich diesem aussergewöhnlichen
Mallarmé-Gedicht kompositorisch zu nähern, wie von selbst entstanden.
Dieses Gedicht am Ende des 20. Jahrhunderts und 100 Jahre nach seinem
Entstehen zu vertonen, war eine mich zutiefst berührende
Herausforderung. Liegt in ihm doch eine tiefe Reflexion des
scheiternden Menschen und vielleicht sogar eine vorweggenommene
Reflexion zur Moderne überhaupt. Die aus sieben Teilen bestehende
Komposition versucht Experimentelles und Sakrales in der Raumerfahrung
von Klängen zu verbinden: fernere, nähere, stehende, fallende oder
steigende Klänge und Töne, leise, laut gesungene, geraunte Worte,
gedehnte Zeit, choralhafte Sätze, extreme Stimmlagen, die sich im lang
nachhallenden Raum des alten Berliner Wasserspeichers verschieben. Von
der Komposition, die aus insgesamt sieben Teilen besteht, ist auf
dieser CD nur der erste Teil "lancé du fond d´un naufrage" ("geworfen
aus der Tiefe eines Scheiterns") zu hören. Zweimal taucht in diesem
ersten Teil der Satz auf "Esprit pour le jeter dans la tempete en
reployer la division et passe fièr" ("Geist geworfen gegen den Sturm um
die Spaltung zu überwinden und kühn zu segeln").
Soprane: Maacha Deubner, Margarete Huber, Ksenija Lukic, Anna-Marie Schuppan, Susanne Serfling; Live-Mitschnitt der Generalprobe: Kryptonale III Berlin 1997
Der Gesamtmitschnitt von transforma ist auf CD (39 min.) erhältlich: 1 lancé du fond d´un naufrage 8 : 22 2 une insinuation au silence 5 : 16 3 prince amer de l´écueil 3 : 53 4 la lucide aigrette 4 : 26 5 cétait le nombre 6 : 00 6 dans ces parages 3 : 10 7 une constellation 7 : 45
Track 5: Auri-Fragment 1 - für Klavier solo, 1994
Die Auri-Fragmente 1 und 2 bestehen quasi aus Fragmenten,
Funkenschlägen, Splittern aneinander stossender Klangwelten, die sich
sozusagen schlaglichtartig vergegenwärtigen, manchmal kalt abbrechen,
manchmal ins Nichts verklingen, manchmal weiterführen. Die einzelnen
Klänge der beiden Auri-Fragmente stehen untereinander in Relationen von
Grundgestalt und Spiegelung, wobei die gespiegelten Texturen sich
kombinatorisch in ungleichen Anordnungen zur Grundgestalt befinden. Die
Spiegelachse der beiden Stücke verläuft durch das es´. Die am Ende der
beiden Kompositionen erklingenden Einzeltöne (f´ bzw. cis´) insistieren
– vielleicht gerade, weil sie eine grosse Sekunde neben der
Spiegelachse liegen - auf eine sich wasserspiegelähnlich beruhigende
Öffnung, die es erlaubt, über die gehörten Fragmente, Funkenschläge und
Splitter hinaus zu hören.
Frank Gutschmidt, Klavier Redaktion der Aufnahme beim Sender Freies Berlin: Martin Demmler Dauer: 2:47´
Track 6: SON – für Klarinette solo, 1993
Diese Komposition besteht lediglich aus einer einzigen Klangskala und zwei Spaltklängen. Doch wird diese SON-Skala zum
Träger mehrfacher Polaritäten ... Eine relativ schnelle Abwärtsfigur bringt im 43. Takt zum ersten Mal
den Klang der gesamten Skala und damit auch die Polarität zwischen den tieferen
und den höheren Skalentöne ins Spiel. Aber zunächst sind in höchster
Klarinettenlage (als ob sich die Musik in der Höhe halten wollte)
lebendige – mit dem b´´ - h´´-Trillern verbundene – schnelle
verzierungsähnliche Figuren zu hören, die zwischen Statik undf Dynamik balancieren und kurzzeitig immer wieder
auch tiefere Skalenbereiche streifen. Nach den beiden unmittelbar
aufeinander folgenden Spaltklängen stürzt die Musik in tiefe
Trillerpassagen, womit der zweite Teil der Komposition
beginnt. Während die hohen Töne mit sehr langsamen dynamischen
Veränderungen einhergingen, gehen die tiefen Trillerpassagen mit einer
schnellen und schubhaften Dynamik einher. Immer wieder bewegen sich
die Töne der Skala kaskadenartig in die Tiefe und landen in dem
Trillermodus. Über klare (fast rhythmische) Strukturierungen und
manche kleine Irritierung arbeitet es sich wieder nach oben, um sich im dritten Teil dann in der Höhe zu
halten und am Schluss sogar das - befreiend erscheinende - des´´´ zu
erreichen.
Ib Hausmann, Klarinette Redaktion der Aufnahme beim Westdeutschen Rundfunk: Arnd Richter Dauer: 8:02´
Track 7: Auri-Fragment 2 - für Klavier solo, 1994
Die Auri-Fragmente 1 und 2 bestehen quasi aus Fragmenten,
Funkenschlägen, Splittern aneinander stossender Klangwelten, die sich
sozusagen schlaglichtartig vergegenwärtigen, manchmal kalt abbrechen,
manchmal ins Nichts verklingen, manchmal weiterführen. Die einzelnen
Klänge der beiden Auri-Fragmente stehen untereinander in Relationen von
Grundgestalt und Spiegelung, wobei die gespiegelten Texturen sich
kombinatorisch in ungleichen Anordnungen zur Grundgestalt befinden. Die
Spiegelachse der beiden Stücke verläuft durch das es´. Die am Ende der
beiden Kompositionen erklingenden Einzeltöne (f´ bzw. cis´) insistieren
– vielleicht gerade, weil sie eine grosse Sekunde neben der
Spiegelachse liegen - auf eine sich wasserspiegelähnlich beruhigende
Öffnung, die es erlaubt, über die gehörten Fragmente, Funkenschläge und
Splitter hinaus zu hören.
Frank Gutschmidt, Klavier Redaktion der Aufnahme beim Sender Freies Berlin: Martin Demmler Dauer: 2:55´
der Freiheit und hohem Flug gewidmet
>gleich den Vögeln< – Alea-Musik ist eine nichtlineare Komposition, die
von den Musikern in musikalisch logische Abläufe umzusetzen ist. Die
Musik ereignet sich im spontanen Wechselspiel der beteiligten Musiker,
die in einem jeweiligen Raum möglichst weit voneinander entfernt sein
sollten. Die Musiker postieren sich möglichst an den Kardinalpunkten
eines Raumes oder an akustisch günstigen Positionen einer Landschaft (etwa ihren 4 Himmelsrichtungen),
so dass sich das Publikum inmitten der korrespondierenden Töne und
Klänge befindet. Analog der Art von Vögeln kommunizieren die Musiker
nach bestimmten Regeln untereinander mittels der komponierten
musikalischen Texturen, die die Musiker mosaikartig variieren und
verknüpfen. Das Spiel entfaltet sich polar aus Regel und Zufall,
Strenge und Freiheit und wird von den Spielern über sogenannte "Model"
gesteuert. Diese "Model" sind musikalische Zeichen, die einen
Texturwechsel signalisieren, der von allen Spielern gemeinsam vollzogen
werden muss. Jeder Spieler hat im Verlauf des Spieles dafür zu sorgen,
daß die ihm zugeordneten musikalischen Texturen in das Spiel
eingebracht und entsprechend variantenreich entfaltet werden. Die
Komposition und Interpretation basieren auf einer äusserst variablen
Rondoform (der Urform von "Gleichbleiben und Verändern"), die
entsprechend musikalisch logisch umzusetzen ist. In den Couplets geht
es zwischen den diagonal benachbarten Spielern um das Wechselspiel von
"Gesang" und "Gegengesang ". In den Refrains kreisen Töne und Motive
von Spieler zu Spieler. Ursprünglich für Klarinetten komponiert, hat es sich gezeigt, dass >gleich den < in der Fassung für Sopransaxophone nicht
weniger reizvoll ist.
Sopransaxophone: Simone Otto, Maike Goosmann, Christian Peters, Ulrich Hauptmeier Live-Mitschnitt der Kryptonale VI, Berliner Dom, 23.9.2000 Dauer: 9:33´
Track 9: solo für Viola, 1983
Schon seit Beginn meiner kompositorischen Arbeit unterscheide ich meine
Kompositionen in dominant appolinische und dominant dionysische.
Während in den appolinischen das konstruktive und rationale Prinzip
überwiegt, überwiegt in den dionysischen das organismische und
irrationale Prinzip. In der Komposition "solo für viola" ist das
dionysische Prinzip relativ stark ausgeprägt. Die Komposition besteht
aus fünf unterschiedlichen musikalischen Texturen, die einander folgen
oder miteinander kombiniert werden. Diese Texturen sind durchweht von
hellen Flageolettönen, die ihrerseits Zeit zu einem Erlebnis von Stille
werden lassen. Diese - sozusagen unbedarften - Flageolettöne und Pausen
heben das dionysische Prinzip auf, ohne daß sie verhindern können, daß
es immer wieder durchbricht. Die zwei Welten, die in einem jeden von
uns ihr Wesen treiben?
Martin Flade, Viola Redaktion der Aufnahme beim Sender Freies Berlin: Martin Demmler Dauer: 7:49´
Track 10: geschwungene Linie (moderabel 3), 1988
Die gesamte Intervallstruktur dieser Komposition basiert auf lediglich
zwei Intervallen, einem umkehrbaren (der reinen Quinte bzw. Quarte) und
einem nicht umkehrbaren Intervall (dem Tritonus). Im Mittelteil kommt
die grosse Sekunde als Versetzungsintervall hinzu. Umkehrung, Spiegel,
Krebs, Hoketus, Augmentation und Diminution sind die angewandten
Techniken, die eine quasi unendliche Melodie ruhig schwingend um die -
unhörbar anwesende - Achse fis´ entfalten. Zunächst wird von jedem
Instrumentalisten nur ein einziges Intervall gespielt, doch da der
erste Ton des nachfolgenden Intervalls immer genau an dem zweiten Ton
des vorhergehenden anknüpft, verknüpfen sich die einzelnen
rhythmisierten Intervalle zu einem Band, wodurch die geschwungene Linie
entsteht. Diese geht im Verlauf der Komposition verschiedene
Metamorphosen durch. Wird die Verknüpfung zwischen den Intervallen
unterbrochen, kommt es zur Auflösung. Dies geschieht ganz undramatisch,
aber zweimal: vor Takt 41 und am Schluss. Die Einzeltöne der Intervalle
erscheinen dann wie ferne Sterne.
ClariNetwork: Roland Diry, Wolfgang Große, Ib Hausmann, Wolfgang Stryi (Klarinetten) Redaktion der Aufnahme beim Hessischen Rundfunk: Ernstalbrecht Stiebler Dauer: 5:50´
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